
Die Qualität Ihres Gerichts hängt nicht vom Preis des Weins ab, sondern von seiner chemischen Eignung als Zutat.
- Ein fehlerhafter Wein (z. B. Kork) ruiniert die Sauce, da sich die Fehler beim Einkochen verstärken.
- Die Säure des Weins ist ein Werkzeug zum Zartmachen von Fleisch, während sein Zuckergehalt die Schärfe in Gerichten ausgleicht.
Empfehlung: Behandeln Sie Wein wie eine technische Zutat. Prüfen Sie ihn auf Fehler und wählen Sie ihn gezielt nach seiner Säure, Süße und Aromatik aus, um Ihr Gericht zu veredeln, anstatt es nur abzulöschen.
Jeder Hobbykoch kennt die Situation: Eine Flasche Wein steht seit drei Tagen offen in der Küche. Zu schade zum Wegkippen, aber zum Trinken auch nicht mehr ideal. Die naheliegende Idee: ab damit in die Sauce! Doch genau hier lauert eine der größten Fallen der Alltagsküche. Die weit verbreitete Unsicherheit, ob der teure Tropfen eine Verschwendung für den Kochtopf ist oder der billige Fusel das ganze Gericht ruiniert, führt oft zu Kompromissen, die dem Essen mehr schaden als nutzen.
Die gängigen Ratschläge sind bekannt und wenig hilfreich. „Nimm einen Wein, den du auch trinken würdest“, lautet die Binsenweisheit. Doch was bedeutet das konkret? Ein Wein, den ich gerade noch so trinken würde? Oder einer, den ich wirklich genieße? Diese Regel ignoriert die wichtigste Tatsache: Wein im Kochtopf verhält sich fundamental anders als im Glas. Durch Hitze und Reduktion durchläuft er eine tiefgreifende Aromen-Transformation, die seine Eigenschaften radikal verändert.
Die wahre Kunst liegt nicht darin, einfach irgendeinen „trinkbaren“ Wein zu verwenden, sondern ihn als eine strukturgebende Zutat zu verstehen. Es geht um seine chemischen Eigenschaften: seine Säure, die Fleisch zart macht; seinen Zucker, der Aromen ausbalanciert; und seine Tannine, die eine Sauce bitter machen können. Dieser Artikel bricht mit den alten Mythen und zeigt Ihnen, wie Sie Wein mit dem Respekt und der Präzision eines Profikochs einsetzen. Wir werden die Wissenschaft hinter dem perfekten „Zisch-Moment“ entschlüsseln, klären, warum manche Weine im Risotto nichts zu suchen haben und wann eine offene Flasche sogar besser für die Sauce ist als eine frische.
Um die Geheimnisse des Kochens mit Wein vollständig zu meistern, werden wir die entscheidenden Aspekte Schritt für Schritt beleuchten. Der folgende Leitfaden bietet Ihnen einen klaren Überblick über die Themen, die wir behandeln werden, von der Auswahl des richtigen Weins bis hin zur perfekten Anwendung in Hauptgerichten und Desserts.
Sommaire: Der ultimative Leitfaden zum Kochen mit Wein
- Warum sich Fehler im Wein beim Einkochen potenzieren
- Wie Säure im Wein das Fleisch zart macht, bevor es in die Pfanne kommt
- Warum Riesling im Risotto zu sauer sein kann und was Sie stattdessen nehmen
- Der Zisch-Moment: Wann ist der perfekte Zeitpunkt für den Wein in der Pfanne?
- Rotweinbirnen oder Weinschaum: Wie Wein zur Hauptzutat im Nachtisch wird
- Wann ist ein Wein „drüber“ zum Trinken, aber perfekt für die Sauce?
- Warum der Wein immer süßer sein muss als das Dessert selbst
- Scharf, sauer, salzig: Welcher Wein bändigt ein scharfes Thai-Curry?
Warum sich Fehler im Wein beim Einkochen potenzieren
Die wichtigste Regel beim Kochen mit Wein lautet: Kochen Sie niemals mit einem Wein, der einen Fehler hat. Ein leichter Korkgeschmack, eine beginnende Oxidation oder eine flüchtige Säure, die im Glas vielleicht nur dezent wahrnehmbar ist, wird im Kochprozess nicht verschwinden. Im Gegenteil: Durch die Reduktion der Flüssigkeit konzentrieren sich alle Aromen – die guten wie die schlechten. Dieser Effekt, die Fehler-Potenzierung, kann ein liebevoll zubereitetes Gericht ruinieren. Ein muffiger Ton wird zu einem dominanten Modergeschmack, der das gesamte Essen ungenießbar macht.
Besonders der gefürchtete Korkschmecker, verursacht durch die chemische Verbindung TCA (2,4,6-Trichloranisol), ist ein K.o.-Kriterium. Schätzungen zufolge sind bis zu 10% aller Weine mit Naturkorken betroffen. Zwar verflüchtigt sich TCA theoretisch beim Erhitzen, wie Experten der Académie du Vin bestätigen, jedoch hinterlässt der Prozess oft eine unangenehme Bitterkeit in der Sauce. Der Wein ist also unbrauchbar. Es gibt keinen Trick, um einen fehlerhaften Wein zu „retten“, indem man ihn verkocht. Der einzige sichere Weg ist, ihn zu entsorgen.
Deshalb ist ein kurzer Qualitätstest vor dem Kochen unerlässlich. Riechen Sie am Wein und nehmen Sie einen kleinen Schluck. Vertrauen Sie Ihren Sinnen. Wenn etwas unangenehm riecht oder schmeckt – nach nassem Keller, Essig oder faulen Äpfeln –, gehört der Wein in den Ausguss, nicht in den Topf. Der Respekt vor den anderen Zutaten gebietet es, nur ein einwandfreies Produkt zu verwenden. Alles andere ist ein Glücksspiel, das Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit verlieren werden.
Wie Säure im Wein das Fleisch zart macht, bevor es in die Pfanne kommt
Wein ist in der Küche weit mehr als nur ein Geschmacksträger; er ist ein aktives Werkzeug. Eine seiner mächtigsten Eigenschaften ist seine Säure. Besonders beim Marinieren von Fleisch spielt sie eine entscheidende Rolle. Die Säuren im Wein, hauptsächlich Weinsäure und Apfelsäure, beginnen, die Proteinstruktur an der Oberfläche des Fleisches aufzubrechen. Dieser Prozess, die sogenannte Denaturierung, macht das Fleisch zarter und bereitet es optimal auf das Garen vor. Es wird dadurch nicht nur mürber, sondern auch aufnahmefähiger für die Aromen der Marinade.

Weißwein eignet sich aufgrund seiner oft höheren und frischeren Säure besonders gut für helle Fleischsorten wie Geflügel, Kalb oder Schwein. Rotwein hingegen bringt neben der Säure auch Tannine mit, die bei zu langer Einwirkzeit das Fleisch an der Oberfläche gräulich und leicht ledrig machen können. Daher sollte eine Rotweinmarinade für Rind oder Wild oft kürzer gehalten werden oder der Weinanteil geringer sein. Die Säure sorgt nicht nur für Zartheit, sondern auch für eine geschmackliche Balance, indem sie die Reichhaltigkeit und das Fett des Fleisches ausgleicht und dem fertigen Gericht eine willkommene Frische verleiht.
Eine gute Marinade besteht daher aus drei Komponenten: dem Wein als Säurequelle, Öl, das die Aromen transportiert, und den eigentlichen Gewürzen wie Kräutern, Zwiebeln und Knoblauch. Die Magie geschieht, bevor das Fleisch überhaupt die Hitze der Pfanne spürt. Der Wein leistet hier eine entscheidende Vorarbeit, die durch reines Garen niemals erreicht werden könnte. Er ist der stille Held, der die Grundlage für ein saftiges und aromatisches Ergebnis legt.
Warum Riesling im Risotto zu sauer sein kann und was Sie stattdessen nehmen
Ein cremiges Risotto, perfekt al dente, ist eine Offenbarung. Eine entscheidende Zutat, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Weißwein, mit dem der Reis abgelöscht wird. Doch hier machen viele einen entscheidenden Fehler: Sie greifen zu einem jungen, trockenen Riesling. Während Riesling ein fantastischer Trinkwein ist, kann seine oft hohe, prägnante Säure die cremige Textur des Risottos stören und das Gericht unangenehm sauer machen. Die Stärke aus dem Risottoreis, die für die Sämigkeit verantwortlich ist, braucht einen Partner, der ihre Textur unterstützt, nicht konterkariert.
Die Suche nach dem perfekten Wein für Risotto ist ein Paradebeispiel für die Wichtigkeit der chemischen Passgenauigkeit. Gefragt sind Weine mit moderater Säure und etwas mehr Körper oder Schmelz. Sorten wie Grauburgunder (Pinot Grigio), Weißburgunder (Pinot Blanc) oder ein milder Silvaner sind hier oft die bessere Wahl. Sie bringen genügend Säure mit, um dem fetten Parmesan und der Butter entgegenzuwirken, dominieren das Gericht aber nicht. Ihre oft nussigen oder fruchtig-milden Aromen integrieren sich harmonisch in das Gesamtbild.
Die folgende Tabelle vergleicht gängige deutsche Weißweine und ihre Eignung für Risotto, um die Auswahl zu erleichtern:
| Weinsorte | Säuregehalt | Eignung für Risotto | Geschmacksprofil |
|---|---|---|---|
| Junger Riesling Kabinett | Hoch (7-9 g/l) | Weniger geeignet | Zu säurebetont, kann Cremigkeit stören |
| Grauburgunder (Baden) | Mittel (5-6 g/l) | Sehr gut | Cremigkeit und Schmelz |
| Weissburgunder | Mittel (5-6 g/l) | Sehr gut | Neutrale, elegante Note |
| Silvaner (Rheinhessen) | Mittel-niedrig (4-5 g/l) | Sehr gut | Allrounder mit milder Säure |
| Feinherber Riesling | Hoch, aber ausbalanciert | Gut | Säure durch Restzucker gemildert |
Letztendlich geht es darum, einen Wein zu finden, der dem Gericht dient und sich nicht in den Vordergrund drängt. Der Wein soll die Aromen von Reis, Brühe und Parmesan heben und verbinden, nicht überdecken. Ein feinherber Riesling kann eine interessante Alternative sein, da sein Restzucker die Säure abpuffert und eine spannende süß-saure Note einbringt. Es zeigt, dass die perfekte Wahl von der gewünschten geschmacklichen Richtung abhängt.
Der Zisch-Moment: Wann ist der perfekte Zeitpunkt für den Wein in der Pfanne?
Der Moment, in dem der Wein auf den heißen Pfannenboden trifft und mit einem lauten Zischen verdampft, ist mehr als nur Show. Es ist der entscheidende Schritt, der eine gute Sauce von einer großartigen unterscheidet. Dieser Prozess, das Ablöschen oder Deglacieren, löst den wertvollen Bratensatz vom Boden der Pfanne. Dieser Satz, eine Mischung aus karamellisiertem Zucker, Proteinen und Fett vom Anbraten (die Maillard-Reaktion), ist pures, konzentriertes Aroma. Der Wein agiert hier als Lösungsmittel, das diesen Geschmacksschatz aufnimmt und zur Grundlage der Sauce macht.
Der richtige Zeitpunkt ist alles. Der Wein sollte erst hinzugefügt werden, nachdem das Fleisch scharf angebraten und aus der Pfanne genommen wurde. Anschließend werden Aromaten wie Zwiebeln oder Knoblauch im verbliebenen Fett kurz angeröstet. Erst dann kommt der Wein. Ein entscheidender Schritt, den viele übersehen: Der Wein muss nun bei starker Hitze fast vollständig einkochen, bis nur noch ein sirupartiger Rest übrig ist („au sec reduzieren“). Dadurch verdampft der scharfe Alkohol, und die Aromen des Weins konzentrieren sich. Laut Anhaltspunkten für die Alkoholverdampfung verbleiben selbst nach 30 Minuten Kochzeit noch etwa 35 % des ursprünglichen Alkohols im Gericht. Das fast vollständige Reduzieren am Anfang ist also entscheidend, um den reinen Weingeruch loszuwerden.
Ihr Plan für das perfekte Ablöschen: Die goldene Reihenfolge
- Fleisch scharf anbraten für Röstaromen (Maillard-Reaktion) und aus der Pfanne nehmen.
- Aromaten (Zwiebeln, Knoblauch, Gemüse) im Bratensatz anrösten, bis sie Farbe annehmen.
- Mit einem kräftigen Schuss Wein ablöschen – der „Zisch-Moment“, der den Bratensatz löst.
- Den Wein bei starker Hitze fast vollständig einkochen lassen, bis er sirupartig wird („au sec reduzieren“).
- Mit Fond, Brühe oder Sahne auffüllen und die Sauce auf die gewünschte Konsistenz einköcheln lassen.
Erst nachdem der Wein seine Aromen in konzentrierter Form abgegeben hat, wird mit Brühe oder Fond aufgefüllt. Würde man den Wein nicht reduzieren, würde die Sauce dünn, säuerlich und nach rohem Alkohol schmecken. Das Geheimnis liegt in der Geduld, dem Wein die Zeit zu geben, sich von einer Flüssigkeit in ein pures Gewürz zu verwandeln. Wie die Experten von Koch Mit betonen: Rotwein sollte um die Hälfte, Weißwein sogar noch stärker reduziert werden, damit sich die Aromen richtig entfalten.
Rotweinbirnen oder Weinschaum: Wie Wein zur Hauptzutat im Nachtisch wird
Während Wein in Saucen oft eine unterstützende Rolle spielt, kann er im Dessert zum unangefochtenen Hauptdarsteller aufsteigen. Hier geht es nicht mehr nur darum, einen Bratenfond abzulöschen, sondern darum, die gesamte geschmackliche Struktur des Nachtischs um den Wein herum aufzubauen. Ob bei klassischen Rotweinbirnen, einer luftigen Zabaione oder in Portwein eingelegten Früchten – der Wein ist hier nicht nur Zutat, sondern die Seele des Gerichts. Die Transformation von Frucht und Zucker durch das langsame Pochieren in gewürztem Wein ist ein Paradebeispiel für die veredelnde Kraft des Weins.

Bei der Zubereitung von Desserts mit Wein ist die Auswahl entscheidend. Ein kräftiger, fruchtiger Rotwein wie ein Dornfelder oder Spätburgunder eignet sich hervorragend für pochierte Birnen oder Pflaumen, da seine Aromen von Beeren und Kirschen wunderbar mit den Früchten harmonieren. Für einen Weinschaum (Zabaione) ist ein Marsala oder ein süßer Riesling die klassische Wahl, da ihre Süße und ihr komplexes Aroma die Eigelbcreme perfekt ergänzen. Die Redaktion von Neunweine gibt hierzu treffende Inspiration:
Sherry triumphiert im Teig von Gebackenem, Madeira kommt über cremigem Vanilleeis in Fahrt und in Portwein eingelegte Früchte harmonieren vorzüglich mit Kaiserschmarrn oder warmen Tartes.
– Neunweine Redaktion, 10 Tipps zum Kochen mit Wein
Der Alkohol im Wein spielt auch hier eine wichtige Rolle. Er agiert als Geschmacksträger und verleiht dem Dessert eine gewisse „Wärme“ und Tiefe. Wichtig ist, den Wein langsam zu erhitzen, damit der Alkohol sanft verdampfen kann und nur die feinen Aromen zurückbleiben. Ein Dessert, das nach rohem Alkohol schmeckt, ist ebenso ein Fehler wie eine unreduzierte Sauce. Hier zeigt sich die Vielseitigkeit von Wein als kreatives Element, das weit über die salzige Küche hinausgeht.
Wann ist ein Wein „drüber“ zum Trinken, aber perfekt für die Sauce?
Hier kommt der Moment, auf den viele Hobbyköche gewartet haben: die Legitimation, die offene Flasche von vor drei Tagen doch noch zu verwenden. Entgegen der strengen Regel, keinen fehlerhaften Wein zu nutzen, gibt es eine Ausnahme: Ein Wein, der lediglich durch den Kontakt mit Sauerstoff leicht oxidiert ist, kann für bestimmte Gerichte sogar eine Bereicherung sein. Dieser Wein ist nicht „schlecht“ im Sinne von fehlerhaft, sondern hat sich lediglich geschmacklich verändert. Er hat seine frische Fruchtigkeit verloren und stattdessen nussige, sherry-ähnliche Noten entwickelt.
Genau diese oxidativen Noten können einer dunklen Schmorsauce eine ungeahnte Tiefe und Komplexität verleihen. Wie Experten von Delinat erklären, bietet ein Rotwein, der 3-4 Tage offen war, eine interessantere Basis für Gerichte wie Gulasch oder Coq au Vin als ein frisch geöffneter, fruchtbetonter Wein. Die Aromen-Transformation hat hier bereits in der Flasche begonnen und wird im Kochtopf vollendet. Das anfängliche Rot älterer Rotweine verfärbt sich beim Kochen ohnehin oft in ein kräftiges Braun, was die Sauce zusätzlich optisch anreichert. Der Wein ist also nicht mehr zum puren Genuss geeignet, aber seine neue Struktur macht ihn zu einer wertvollen Kochzutat.
Fallbeispiel: Oxidation als Geschmacksverstärker
Ein offener Rotwein, der seine primären Fruchtaromen verloren hat, entwickelt durch Oxidation sekundäre Aromen, die an Nüsse, Trockenfrüchte oder sogar Sherry erinnern. Diese komplexen Noten bieten eine tiefere und interessantere Basis für lang gekochte Schmorsaucen als ein frisch geöffneter Wein. Während der Wein zum Trinken als „müde“ oder „flach“ empfunden wird, sind genau diese gereiften Aromen in einer Sauce erwünscht, da sie sich perfekt mit den Röstaromen des Fleisches verbinden und dem Gericht eine reife Komplexität verleihen.
Wichtig ist die Unterscheidung: Oxidation ist nicht gleich Essigstich. Sobald der Wein scharf nach Essig riecht, haben Essigsäurebakterien die Überhand gewonnen und der Wein ist unbrauchbar. Ein rein oxidierter Wein riecht eher wie ein alter Apfel oder Nüsse. Für die clevere Resteverwertung empfiehlt sich die Eiswürfel-Methode: Füllen Sie Weinreste in Eiswürfelformen und frieren Sie sie ein. So haben Sie jederzeit perfekt portionierte Weinwürfel zur Hand, um Saucen zu verfeinern.
Warum der Wein immer süßer sein muss als das Dessert selbst
Die Kombination von Wein und Dessert ist die Königsdisziplin der Menüplanung und birgt eine entscheidende Regel, deren Missachtung jede Paarung zum Scheitern verurteilt: Der Wein muss immer süßer sein als das Dessert. Wenn das Essen süßer ist als der begleitende Wein, passiert eine unglückliche sensorische Täuschung. Die Süße auf dem Teller „raubt“ dem Wein seine Frucht und lässt ihn im direkten Kontrast plötzlich sauer, dünn und unangenehm herb wirken. Ein wunderbarer halbtrockener Riesling kann neben einem Stück Sahnetorte plötzlich wie Zitronenwasser schmecken.
Diese Regel ist keine Frage des Geschmacks, sondern der Wahrnehmungspsychologie. Die Süße des Desserts hebt die Geschmacksschwelle für Süße auf unserer Zunge an, wodurch die vorhandene Süße im Wein nicht mehr wahrgenommen wird. Übrig bleiben nur seine strukturellen Komponenten: Säure und eventuell Tannine, die nun nackt und unharmonisch wirken. Aus diesem Grund gibt es zu extrem süßen Desserts wie einer Schwarzwälder Kirschtorte kaum eine passende Weinbegleitung. Wie das Team von Château de Berne es formuliert:
Wenn das Dessert süßer ist als der Wein, wirkt der Wein im Kontrast plötzlich sauer, dünn und fad. Die Süße des Essens raubt dem Wein seine Frucht.
– Château de Berne, Anleitung: Wie kocht man mit Wein
Für eine gelungene Kombination greift man daher zu edelsüßen Weinen wie einer Beerenauslese, einem Eiswein oder einem süßen Likörwein. Ihre intensive, konzentrierte Süße kann es mit der des Desserts aufnehmen und harmoniert mit deren Aromen, anstatt von ihnen zerstört zu werden. Die folgende Tabelle gibt einige klassische deutsche Beispiele:
| Dessert | Süßegrad | Weinempfehlung | Begründung |
|---|---|---|---|
| Schwarzwälder Kirschtorte | Sehr hoch | Keine Weinbegleitung | Zu süß für fast jeden Wein |
| Apfelstrudel | Mittel-hoch | Riesling Beerenauslese | Fruchtige Süße harmoniert perfekt |
| Rote Grütze | Mittel | Liebliche Dornfelder Spätlese | Beerennoten ergänzen sich ideal |
| Kaiserschmarrn | Mittel | Eiswein | Konzentrierte Süße als Kontrast |
| Schokoladen-Soufflé | Hoch | Roter Likörwein/Port | Einzige Chance gegen Bitterschokolade |
Das Wichtigste in Kürze
- Qualität vor Preis: Verwenden Sie niemals einen fehlerhaften Wein (z.B. Kork). Die Fehler konzentrieren sich beim Kochen und ruinieren das Gericht.
- Wein als Werkzeug: Nutzen Sie die Eigenschaften des Weins gezielt. Säure macht Fleisch zart, Süße balanciert Schärfe und komplexe Aromen geben Tiefe.
- Reduktion ist Transformation: Kochen Sie den Wein fast vollständig ein, um den Alkohol zu verdampfen und die reinen Aromen zu konzentrieren. Dies ist der wichtigste Schritt für eine gute Sauce.
Scharf, sauer, salzig: Welcher Wein bändigt ein scharfes Thai-Curry?
Die Kombination von Wein und scharfem Essen, insbesondere der komplexen Aromatik eines Thai-Currys, ist eine Herausforderung. Viele greifen hier reflexartig zum Bier, doch der richtige Wein kann das Gericht auf ein neues Niveau heben. Der Schlüssel liegt im Verständnis der Säure-Tannin-Kollision. Ein trockener, tanninreicher Rotwein ist der natürliche Feind von Schärfe. Die Tannine reagieren mit dem Capsaicin (dem Schärfestoff) und erzeugen einen unangenehmen, metallisch-bitteren Geschmack im Mund.
Die Lösung liegt stattdessen in der Kombination von zwei Elementen: Süße und Säure. Ein Wein mit einer merklichen Restsüße wirkt wie ein Balsam auf der Zunge und mildert die brennende Wirkung des Capsaicins. Die Süße umhüllt die Schärfe und macht sie erträglicher und aromatischer. Gleichzeitig schneidet eine frische Säure durch die Reichhaltigkeit der oft verwendeten Kokosmilch, erfrischt den Gaumen und verhindert, dass das Gericht zu schwer wird. Diese Wissenschaft der Wein-Schärfe-Paarung zeigt, dass Weine mit einem guten Spiel aus Süße und Säure die idealen Partner sind.
Deutsche Rebsorten bieten hier eine fantastische Auswahl. Ein feinherber oder lieblicher Riesling ist oft eine exzellente Wahl. Für besonders scharfe Currys darf es sogar eine edelsüße Spätlese oder Auslese sein. Auch aromatische Rebsorten können Wunder wirken:
- Mildes Curry: Ein trockener bis feinherber Riesling.
- Mittelscharfes Curry: Eine feinherbe oder liebliche Spätlese, deren Restsüße die Schärfe puffert.
- Sehr scharfes Curry: Eine edelsüße Auslese mit hohem Restzuckergehalt als Gegengewicht.
- Curry mit Zitronengras: Eine Scheurebe, deren exotische Noten (Maracuja, Grapefruit) die Zitrusaromen aufgreifen.
- Curry mit viel Ingwer: Ein Gewürztraminer mit seinen Noten von Litschi und Rose, der die würzige Schärfe des Ingwers ergänzt.
Der Wein sollte das Gericht also nicht bekämpfen, sondern ergänzen und ausbalancieren. Er dient als erfrischender Kontrapunkt, der die komplexen Aromen des Currys zur Geltung bringt, anstatt mit ihnen zu kollidieren. Die Wahl des richtigen Weins verwandelt ein scharfes Essen von einer reinen Mutprobe in ein harmonisches Geschmackserlebnis.
Nachdem Sie nun die grundlegenden Prinzipien verstanden haben, vom Erkennen fehlerhafter Weine bis zur gezielten Nutzung von Säure und Süße, ist es an der Zeit, dieses Wissen in die Praxis umzusetzen. Der wahre Lerneffekt entsteht im Tun. Haben Sie keine Angst zu experimentieren, aber tun Sie es mit Bedacht und Respekt vor den Zutaten. Jeder Wein und jedes Gericht ist eine neue Gelegenheit, die faszinierende Chemie in Ihrer Küche zu entdecken und Ihre Fähigkeiten als Koch zu verfeinern. Beginnen Sie noch heute damit, Wein nicht nur als Getränk, sondern als eines Ihrer wertvollsten Kochwerkzeuge zu betrachten.