Veröffentlicht am März 15, 2024

Der Preis eines Premium-Spätburgunders ist kein Luxusaufschlag, sondern die direkte Abbildung von Handarbeit, Risiko und präzisen Kellerentscheidungen.

  • Die Rebsorte Spätburgunder ist eine „Diva“ im Weinberg, die intensives, manuelles Risikomanagement erfordert und die Grundkosten treibt.
  • Die Wahl des Holzfasses (kleines Barrique vs. großes Stückfass) und die Herkunft der Eiche verursachen Preisunterschiede von bis zu 5 € allein durch das Fass.

Empfehlung: Achten Sie beim Kauf weniger auf den Preis als auf Hinweise zum Ausbau (z.B. „im Barrique gereift“) und die Herkunft, um die Qualität und den dahinterstehenden Aufwand einschätzen zu können.

Sie stehen im Weinregal, sehen einen italienischen Primitivo für 8 € und direkt daneben einen deutschen Spätburgunder für 22 €. Und Sie fragen sich zu Recht: Warum dieser gewaltige Unterschied? Ist das nur Marketing oder steckt da wirklich mehr dahinter? Als Winzer höre ich diese Frage oft. Viele glauben, der Preis sei willkürlich oder ein reiner Luxusaufschlag. Die Wahrheit ist jedoch vielschichtiger und wurzelt tief in der Erde meiner Weinberge und in der Stille meines Weinkellers. Der Preis ist das ehrliche Ergebnis unzähliger Stunden harter Handarbeit, schlafloser Nächte wegen drohendem Frost und folgenschwerer Investitionsentscheidungen, die ich treffe, um das Beste aus dieser anspruchsvollen Rebsorte herauszuholen.

Die gängige Antwort lautet oft, der Anbau sei eben „schwierig“. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Um den Preis wirklich zu verstehen, müssen wir tiefer blicken. Wir müssen die Rebsorte nicht nur als Frucht, sondern als empfindliches Wesen betrachten, dessen Charakter von jedem Sonnenstrahl, jedem Bodentyp und jeder Entscheidung im Keller geprägt wird. Es geht nicht nur darum, Wein zu machen, sondern darum, das Terroir zu übersetzen. Dieser Artikel ist eine Einladung, mich in Weinberg und Keller zu begleiten. Ich werde Ihnen nicht nur sagen, *dass* Spätburgunder aufwendig ist. Ich werde Ihnen zeigen, *wo genau* die Kosten entstehen – von der Kultivierung der „Diva“ über die Wahl des richtigen Holzfasses bis hin zur optimalen Lagerung. Sie werden verstehen, warum 20 € für einen guten Spätburgunder kein hoher Preis, sondern oft ein sehr fairer ist.

Um die Facetten des Spätburgunders und seine Preisstruktur vollständig zu erfassen, beleuchten wir die entscheidenden Faktoren Schritt für Schritt. Dieser Weg führt uns von den geologischen Unterschieden im Weinberg über die heiklen Aspekte des Anbaus bis hin zu den entscheidenden Handgriffen im Keller, die den finalen Geschmack und Preis formen.

Deutscher Spätburgunder vs. Burgunder: Schmecken Sie den Unterschied im Blindtest?

Oft wird deutscher Spätburgunder direkt mit seinem berühmten französischen Verwandten aus dem Burgund verglichen. Genetisch sind sie identisch, doch im Glas erzählen sie oft zwei völlig verschiedene Geschichten. Der Grund dafür liegt im Terroir, dem einzigartigen Zusammenspiel von Boden, Klima und der Handschrift des Winzers. Während im Burgund vor allem Kalksteinböden dominieren, die den Weinen eine mineralische, oft straffe Struktur verleihen, ist die deutsche Weinlandschaft weitaus vielfältiger. Allein die Tatsache, dass Spätburgunder hierzulande auf 11.519 Hektar, also 11 % der gesamten deutschen Rebfläche, wächst, zeigt seine immense Bedeutung und regionale Vielfalt.

Diese Vielfalt ist der Schlüssel zum Verständnis. An der Ahr wächst der Spätburgunder auf kargem Schiefergestein, was ihm eine rauchige Mineralität und eine fast kühle Eleganz verleiht. Ganz anders in Baden, dem mit 5.029 Hektar größten deutschen Spätburgunder-Anbaugebiet: Hier, besonders am sonnenverwöhnten Kaiserstuhl, herrschen Vulkanverwitterungs- und Lössböden vor. Das Ergebnis sind oft kräftigere, fülligere Weine mit reiferer Frucht. Ein Blindtest würde also nicht nur den Unterschied zwischen Deutschland und Burgund offenbaren, sondern auch die faszinierenden Nuancen zwischen einem Wein von der Ahr und einem vom Kaiserstuhl. Die Terroir-Übersetzung ist hier keine Floskel, sondern schmeckbare Realität.

Vergleich von Schiefergestein aus der Ahr und Kalkstein aus dem Burgund

Diese Gegenüberstellung der Gesteinsarten macht deutlich, warum die Weine so unterschiedlich schmecken müssen. Der dunkle, wärmespeichernde Schiefer der Ahr und der helle, kühle Kalkstein des Burgunds prägen den Wein von der Wurzel an. Es ist genau dieses geologische Fundament, das die Basis für den Charakter und letztlich auch für den Wert eines Weines legt. Als Winzer arbeite ich mit dem, was die Natur mir gibt, und versuche, diese Herkunft so authentisch wie möglich in die Flasche zu bringen.

Warum ist der Spätburgunder die „Diva“ im Weinberg und so schwer zu kultivieren?

Der Begriff „Diva“ ist für den Spätburgunder keine Übertreibung, er ist eine präzise Beschreibung der täglichen Herausforderungen im Weinberg. Diese Rebsorte verzeiht keine Fehler und reagiert extrem sensibel auf ihre Umgebung. Dieses ständige Risikomanagement ist ein wesentlicher Faktor, der die Kosten in die Höhe treibt, lange bevor die erste Traube den Keller erreicht. Es erfordert ein enormes Maß an Handarbeit und Mikro-Management, das sich direkt im Preis niederschlägt.

Die drei größten Herausforderungen, denen ich jedes Jahr aufs Neue begegne, sind:

  • Extreme Wetterempfindlichkeit: Die dünnen Beerenhäute sind ein Markenzeichen des Spätburgunders. Das macht ihn aber auch extrem anfällig. Bei zu kühlen Temperaturen reifen die Trauben nicht vollständig aus und bleiben grün und bitter. Bei zu viel Hitze und Sonne verlieren sie ihre Finesse und entwickeln marmeladige Noten. Der perfekte Lesezeitpunkt ist oft ein Fenster von nur wenigen Tagen.
  • Anfälligkeit für Pilzkrankheiten: In feuchten Jahren ist die Sorge vor Botrytis (Grauschimmelfäule) und anderen Pilzen allgegenwärtig. Die dünne Haut bietet kaum Schutz. Das bedeutet intensive Laubarbeit von Hand, um für eine gute Durchlüftung der Traubenzone zu sorgen, und eine penible, oft mehrfache Lese, bei der nur die gesündesten Beeren selektiert werden.
  • Hohe Bodenansprüche: Spätburgunder ist wählerisch. Er liebt kalksteinhaltige Böden mit guter Drainage, wie sie in Teilen des Burgunds oder auch in Franken und an der Ahr zu finden sind. Er gedeiht in eher kühlen Klimalagen, wo er langsam seine komplexen Aromen entwickeln kann. Falscher Standort bedeutet Mittelmäßigkeit.

Dieser hohe Aufwand führt unweigerlich zu einer Qualitätspyramide, die sich auch im Preis widerspiegelt. Nur wenn alle Bedingungen optimal sind und der Winzer bereit ist, den Mehraufwand zu betreiben, entstehen Weine, die das Potenzial der Rebsorte voll ausschöpfen. Die folgende Übersicht zeigt, wie sich dieser Qualitätsanspruch in typischen Preiskategorien deutscher Spätburgunder wiederfindet.

Preisvergleich deutscher Spätburgunder 2024
Preisklasse Beispielweine Preis pro Flasche
Einstieg Basis-Spätburgunder trocken 7-10 €
Gutswein Ortswein/Gutswein 10-17 €
Premium Caspar Spätburgunder (Ahr) 24 €
Große Gewächse Alpha & Omega (Deutzerhof) 48 €

Kühler servieren: Wie 2 Grad weniger den Geschmack Ihres Spätburgunders verbessern

Einer der häufigsten Fehler, die den Genuss eines hochwertigen Spätburgunders schmälern, ist die falsche Serviertemperatur. Oft wird Rotwein pauschal bei „Zimmertemperatur“ serviert. Doch unsere heutige Zimmertemperatur von 20-22°C ist für einen filigranen Wein wie den Spätburgunder viel zu warm. Bei diesen Temperaturen tritt der Alkohol in den Vordergrund, überdeckt die feinen Frucht- und Würznoten und lässt den Wein breit und unausgewogen wirken. Zwei Grad weniger können hier einen dramatischen Unterschied machen und die Aromenvielfalt erst richtig zur Geltung bringen.

Das Deutsche Weininstitut gibt hierzu eine klare Empfehlung, die ich als Winzer nur unterstreichen kann. Es geht darum, die Balance zwischen Frucht, Säure und Tannin zu finden, die bei der richtigen Temperatur optimal harmoniert. Wie das Deutsche Weininstitut in seiner Übersicht zum Spätburgunder festhält:

Man trinkt Spätburgunder chambriert auf 16 bis 18 Grad. Kräftige Varianten begleiten am besten Braten, Wild oder auch eine Käseplatte.

– Deutsches Weininstitut, Rebsortenübersicht Spätburgunder

Diese generelle Regel lässt sich weiter verfeinern, denn nicht jeder Spätburgunder ist gleich. Ein leichter, fruchtbetonter Stil von der Ahr verlangt nach einer kühleren Temperatur als ein kräftiger, im Barrique gereifter Wein vom Kaiserstuhl. Die folgende Liste gibt Ihnen eine praktische Orientierung:

  • Filigrane, feinfruchtige Spätburgunder (z.B. von der Ahr oder aus kühleren Lagen): Ideal bei 14-16°C servieren, um die frische rote Frucht (Kirsche, Himbeere) und die Mineralität zu betonen.
  • Kräftige, barriquegeprägte Spätburgunder (z.B. vom Kaiserstuhl oder Große Gewächse): Vertragen mit 16-18°C etwas mehr Wärme, damit sich die komplexen Röstaromen, die Würze und die Tanninstruktur entfalten können.
  • Rosé und Weißherbst aus Spätburgunder: Sollten gut gekühlt bei 8-10°C genossen werden, um ihre Frische und Lebendigkeit zu bewahren.
  • Tipp ohne Weinkühlschrank: Wenn Ihr Wein zu warm ist, stellen Sie die Flasche einfach für etwa 20-30 Minuten in den normalen Kühlschrank. Das wirkt Wunder!

Der Fehler bei der Lagerung, der die feinen Fruchtaromen des Spätburgunders zerstört

Sie haben in einen guten Spätburgunder investiert und möchten ihn für einen besonderen Anlass aufbewahren. Doch nach zwei Jahren schmeckt der Wein enttäuschend flach und müde. Der häufigste Grund dafür ist ein fundamentaler Fehler bei der Lagerung: Temperaturschwankungen und Licht. Ein Wein, der im Wohnzimmerregal neben der Heizung steht, durchlebt täglich enorme Temperaturschwankungen. Dieser Stress beschleunigt den Reifeprozess unkontrolliert und zerstört die empfindlichen Fruchtaromen, das Herzstück eines jeden Spätburgunders.

Die idealen Bedingungen ahmen einen alten Weinkeller nach: konstant kühl, dunkel und erschütterungsfrei. Konkret bedeutet das, die optimale Lagertemperatur liegt konstant zwischen 10 und 15 Grad Celsius. Licht, insbesondere UV-Licht, ist ein weiterer Feind, da es chemische Reaktionen im Wein auslöst, die zu unerwünschten Aromen führen können („Lichtgeschmack“). Flaschen mit Naturkorken sollten zudem liegend gelagert werden, damit der Korken feucht bleibt, nicht austrocknet und seine Elastizität behält, was den Wein vor Oxidation schützt. Unter diesen Bedingungen können gute Spätburgunder problemlos 5 bis 10 Jahre reifen, große Weine sogar deutlich länger.

Dunkler Weinkeller mit horizontal gelagerten Spätburgunder-Flaschen

Dieses Bild zeigt die perfekte Umgebung: ein dunkler, kühler Keller, in dem die Flaschen ungestört ruhen können. Nicht jeder hat so einen Keller, aber ein kühler, dunkler Ort wie eine Speisekammer oder ein Schrank im kühlsten Raum der Wohnung ist bereits eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Wohnzimmerregal. Die Investition in einen kleinen Weinklimaschrank kann für Weinliebhaber eine lohnende Alternative sein, um die wertvollen Flaschen optimal zu schützen und ihr volles Potenzial über Jahre zu erhalten.

Barrique oder großes Holzfass: Welcher Ausbau steht dem Spätburgunder besser?

Nach der Lese und Gärung steht für mich als Winzer eine der wichtigsten Investitionsentscheidungen an: die Wahl des Holzfasses. Diese Entscheidung prägt nicht nur den Stil des Weines, sondern hat auch einen direkten und erheblichen Einfluss auf den Endpreis der Flasche. Die Debatte „Barrique oder großes Holzfass“ ist keine reine Geschmacksfrage, sondern eine strategische Weichenstellung. Ein kleines Barrique (225 Liter), besonders wenn es neu ist, gibt dem Wein intensive Röst- und Vanillearomen und fördert durch den stärkeren Sauerstoffkontakt eine schnellere Reifung.

Dieser Ausbau ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Ein neues französisches Barriquefass ist eine teure Anschaffung. Diese Investition schlägt sich direkt im Flaschenpreis nieder. Berechnungen zeigen, dass allein die Kosten für das Fass und dessen Handling einen Aufschlag von 3-5 € pro Flasche verursachen können. Das ist ein signifikanter Teil des Preises, den Sie im Regal sehen. Weingüter wie Bernhard Huber aus Baden oder Ziereisen sind bekannt dafür, dass sie ihre Top-Rotweine in diesen kleinen Fässern ausbauen, um ihnen maximale Komplexität und Struktur zu verleihen. Insbesondere die kräftigen Spätburgunder vom Kaiserstuhl profitieren von dieser Methode.

Die Alternative ist das traditionelle große Holzfass, in Deutschland oft als Stückfass (1200 Liter) oder Halbstückfass (600 Liter) bekannt. Hier ist das Verhältnis von Holzoberfläche zu Weinvolumen viel geringer. Der Holzeinfluss ist daher weitaus dezenter, die Frucht des Weines bleibt stärker im Vordergrund. Diese Methode zielt auf Eleganz und Langlebigkeit ab, nicht auf eine vordergründige Holzwürze. Finanziell ist der Ausbau im großen Fass auf den Liter Wein gerechnet günstiger, was sich ebenfalls im Preis widerspiegelt. Die Frage ist also nicht, was „besser“ ist, sondern welchen Weinstil der Winzer verfolgt und welche Investition er bereit ist zu tätigen, um dieses Ziel zu erreichen.

Amerikanische vs. französische Eiche: Warum schmeckt das eine nach Kokos und das andere nach Vanille?

Wenn wir über den Ausbau im Barrique sprechen, ist Holz nicht gleich Holz. Die Herkunft der Eiche hat einen ebenso großen Einfluss auf den Geschmack des Weines wie die Größe des Fasses. Die beiden Hauptakteure auf dem Weltmarkt sind amerikanische und französische Eiche, die dem Wein völlig unterschiedliche Aromenprofile verleihen. Wie das Deutsche Weininstitut treffend bemerkt, ist der Holzeinfluss eine bewusste stilistische Entscheidung: „Bei Barriqueweinen kommen Vanille-Zimt-Anklänge hinzu. Man unterscheidet den klassischen und den modernen Typ.“ Diese Aromen stammen direkt aus den chemischen Verbindungen im Holz, die während des Toastens der Fässer (dem Ausbrennen der Innenseite) aktiviert werden.

Amerikanische Eiche (Quercus alba) ist grobporiger und enthält höhere Konzentrationen von „whiskey lactones“. Diese Verbindungen sind für die markanten Aromen von Kokos, Dill und süßer Vanille verantwortlich. Für den eleganten, feinfruchtigen Charakter des deutschen Spätburgunders gilt sie jedoch als ungeeignet, da ihre dominanten Aromen die zarte Frucht leicht überdecken würden. Sie findet eher bei kraftvollen spanischen oder australischen Weinen Verwendung.

Französische Eiche (Quercus petraea oder Quercus robur) ist hingegen feiner in ihrer Porenstruktur. Sie gibt ihre Aromen langsamer und subtiler an den Wein ab. Typisch sind hier elegante Noten von Vanille, Gewürznelke, feiner Würze und gerösteten Nüssen. Sie verleiht dem Wein eine straffere Tanninstruktur und gilt als der ideale Partner für Spätburgunder. In Deutschland gewinnt auch die heimische Eiche, z. B. aus dem Pfälzerwald, an Bedeutung. Sie ist oft etwas herber und würziger im Charakter. Der folgende Vergleich verdeutlicht die Unterschiede in Aroma und Kosten.

Französische vs. Deutsche Eiche für Spätburgunder
Holzart Herkunft Aromen Kosten pro Barrique
Französische Eiche Allier, Vogesen Vanille, feine Würze 800-1.200 €
Deutsche Eiche Pfälzerwald, Spessart Herbe Würze, nachhaltig 600-900 €
Amerikanische Eiche USA Kokos, Dill (für deutschen Spätburgunder ungeeignet) 400-600 €

Warum ein kräftiger Barrique-Wein das feine Wildaroma erschlagen kann

Eine der schönsten Facetten des Weingenusses ist die Kombination mit dem richtigen Essen. Doch hier lauert auch eine häufige Falle: Der Wein und das Gericht müssen Partner auf Augenhöhe sein. Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass zu einem kräftigen Gericht wie Wild automatisch der kräftigste Rotwein gehört. Doch das Gegenteil kann der Fall sein. Ein wuchtiger, stark vom neuen Barrique geprägter Spätburgunder mit dominanten Röst- und Vanillearomen kann die zarten, feinen Eigenaromen eines Rehrückens oder Fasans regelrecht erschlagen. Die Harmonie geht verloren.

Die Kunst des Food-Pairings liegt im Gleichgewicht. Die Struktur des Weines – also Säure, Tannin und Alkohol – sollte die Struktur des Essens ergänzen, nicht dominieren. Ein gereifter Spätburgunder aus einem gebrauchten Fass, dessen Holzaromen bereits integriert und subtil sind, ist oft der weitaus bessere Begleiter zu zartem Wildbret. Seine feine Frucht, die erdigen Noten und die seidigen Tannine umspielen das feine Eiweiß des Fleisches, anstatt es zu überdecken. Ein junger, kräftiger Spätburgunder hingegen passt wunderbar zu einem intensiven Schmorbraten, bei dem die Röstaromen des Gerichts mit denen des Weines eine Allianz eingehen.

Um die richtige Wahl zu treffen, ist es hilfreich, nicht nur den Wein, sondern auch das Gericht genau zu analysieren. Je feiner und delikater die Speise, desto eleganter und zurückhaltender sollte der Wein sein. Die folgende Checkliste hilft Ihnen dabei, die perfekte Kombination zu finden und typische Fehler zu vermeiden.

Ihr Aktionsplan: Den perfekten Spätburgunder zum Essen finden

  1. Gericht analysieren: Bestimmen Sie die Intensität Ihrer Speise. Ist es ein zarter Fasan (fein) oder ein kräftiger Schmorbraten (intensiv)? Notieren Sie die dominanten Aromen (z.B. Kräuter, Röstaromen, Fruchtsoße).
  2. Weinstil identifizieren: Schauen Sie auf das Etikett des Spätburgunders. Finden Sie Hinweise wie „im Barrique gereift“ (eher kräftig) oder Angaben zur Herkunft (Ahr = oft filigran, Kaiserstuhl = oft kräftig)?
  3. Intensität abgleichen: Wählen Sie einen Wein, dessen Kraft der des Essens entspricht. Leichter Wein zu leichtem Essen, kräftiger Wein zu kräftigem Essen. Ein gereiftes Großes Gewächs ist ideal für kurzgebratenes Filet.
  4. Aromen kombinieren: Suchen Sie nach Brücken. Ein Spätburgunder aus Baden passt hervorragend zu regionalem Schwarzwälder Schinken. Ein Ahr-Spätburgunder kann die fruchtig-erdige Note von „Himmel un Ääd“ wunderbar ergänzen.
  5. Regel brechen & lernen: Probieren Sie bewusst eine „falsche“ Kombination (z.B. leichten Wein zu schwerem Essen), um den Kontrast zu schmecken. Das schult den Gaumen am besten für zukünftige Entscheidungen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der hohe Preis eines Spätburgunders ist primär durch den extremen manuellen Aufwand und das hohe Risiko beim Anbau der „Diva“-Rebsorte gerechtfertigt.
  • Die Entscheidung für einen Ausbau in teuren, kleinen Barriquefässern aus französischer Eiche kann den Flaschenpreis allein um 3-5 € erhöhen.
  • Die Größe des Holzfasses (225l Barrique vs. 1200l Stückfass) bestimmt maßgeblich die Intensität der Holzaromen und den Stil des Weins.

Barrique oder Stückfass: Welchen Einfluss hat die Größe des Holzfasses auf den Weingeschmack?

Wir haben bereits gesehen, dass die Wahl zwischen Barrique und großem Holzfass eine stilistische und finanzielle Entscheidung ist. Doch der entscheidende physikalische Faktor dahinter ist das Verhältnis von Holzoberfläche zu Weinvolumen. In einem kleinen 225-Liter-Barrique kommt jeder Liter Wein mit einer relativ großen Holzoberfläche in Kontakt. Das führt zu einem intensiven Austausch von Aromen und einem stärkeren, aber kontrollierten Eintrag von Sauerstoff, was die Reifung beschleunigt und die Tannine abrundet.

In einem traditionellen deutschen Stückfass mit 1200 Litern oder gar einem Doppelstückfass mit 2400 Litern ist dieses Verhältnis dramatisch anders. Hier teilt sich eine viel größere Menge Wein eine verhältnismäßig kleine Holzoberfläche. Der Holzeinfluss ist daher minimal und dient weniger der Aromatisierung als vielmehr der langsamen, schonenden Entwicklung des Weines über einen langen Zeitraum. Es ist eine Methode, die auf Finesse und die Bewahrung der primären Fruchtaromen abzielt. Das Halbstückfass mit 600 Litern stellt dabei einen eleganten Mittelweg dar, der bei vielen deutschen Winzern beliebt ist.

Neben dem geschmacklichen Aspekt gibt es auch einen ganz praktischen, der wieder direkt in die Kostenrechnung einfließt: das Management. Laut Winzeraussagen ist die Pflege vieler kleiner Barriquefässer etwa dreimal so aufwendig wie die Verwaltung eines einzigen großen Stückfasses. Jedes kleine Fass muss einzeln befüllt, geleert, verkostet und gereinigt werden. Dieser Mehraufwand an Arbeitszeit und Logistik ist ein weiterer unsichtbarer Kostentreiber, der den Preis eines im Barrique ausgebauten Weines erklärt. Es ist ein klares Bekenntnis zu einem bestimmten Weinstil, für den der Winzer – und letztlich der Kunde – bereit sein muss, zu bezahlen.

Wenn Sie das nächste Mal also vor dem Regal stehen und einen Spätburgunder für über 20 € sehen, betrachten Sie ihn mit anderen Augen. Sehen Sie nicht nur eine Flasche Wein, sondern die Summe unzähliger Entscheidungen, die Essenz eines Jahrgangs und die flüssig gewordene Leidenschaft eines Winzers. Probieren Sie ihn bewusst und versuchen Sie, die Komplexität, die feine Frucht und vielleicht sogar die zarte Vanillenote des Eichenfasses herauszuschmecken. Ihre Wertschätzung – und Ihr Genuss – werden sich dadurch fundamental verändern.

Häufig gestellte Fragen zu Preis und Lagerung von Spätburgunder

Kann ich Spätburgunder im normalen Kühlschrank lagern?

Nein, für eine langfristige Lagerung ist das nicht empfehlenswert. Die ständigen Vibrationen des Kompressors und die zu niedrige Temperatur von 4-6°C schaden dem Wein auf Dauer. Für eine kurzfristige Aufbewahrung von maximal 2-3 Monaten ist es akzeptabel, aber ideal ist es nicht.

Ist jeder Spätburgunder über 20€ lagerfähig?

Nein, der Preis allein ist kein Garant für Lagerfähigkeit. Viele hochwertige, aber fruchtbetonte Ortsweine sind für den Genuss in den ersten Jahren nach der Lese konzipiert. Nur Weine mit einer ausgeprägten Struktur, genügend Tannin und Säure, wie es bei Großen Gewächsen der Fall ist, profitieren wirklich von einer längeren Lagerung und entwickeln dabei komplexe Tertiäraromen.

Schadet ein Schraubverschluss der Lagerqualität?

Nein, ganz im Gegenteil. Moderne, hochwertige Schraubverschlüsse konservieren die Fruchtaromen perfekt und eliminieren das Risiko eines Korkfehlers (TCA). Viele deutsche Top-Winzer setzen heute bewusst auf Schraubverschlüsse, auch bei ihren Premiumweinen, um eine konstante Qualität zu gewährleisten.

Geschrieben von Dr. Hans-Jürgen Weber, Promovierter Agrarwissenschaftler und Winzermeister mit Spezialisierung auf Steillagenweinbau an der Mosel. Über 35 Jahre Erfahrung in der Bewirtschaftung von Riesling-Reben auf Schieferböden.