
Riesling ist das kulinarische Chamäleon unter den Weinen: Seine einzigartige Balance aus Säure, Restzucker und niedrigem Alkohol macht ihn zum einzigen Wein, den Sie für ein ganzes Menü benötigen.
- Die knackige Säure durchschneidet mühelos Fett und erfrischt den Gaumen bei deftigen Gerichten.
- Die variable Restsüße agiert als perfekter Puffer gegen Schärfe und exotische Gewürze.
Empfehlung: Legen Sie sich eine Kiste vielseitigen Rieslings (z. B. Kabinett oder feinherb) zu, und Sie sind für jede kulinarische Herausforderung gewappnet, ohne fünf verschiedene Weine kaufen zu müssen.
Stellen Sie sich vor, Sie planen ein Abendessen. Auf der Speisekarte stehen scharf-würzige asiatische Vorspeisen, gefolgt von einer deftigen, reichhaltigen Schweinshaxe als Hauptgang. Welchen Wein servieren Sie? Die gängige Meinung diktiert, man bräuchte mindestens zwei, wenn nicht drei verschiedene Weine: einen leichten, süßlichen für die Schärfe, einen kräftigen, trockenen für das Fett. Dies ist der Albtraum jedes pragmatischen Gastgebers, der nicht den Weinkeller eines ganzen Restaurants vorhalten möchte. Man kauft am Ende zu viel, das Falsche und ist doch unsicher.
Doch was, wenn die Lösung nicht in der Menge, sondern in der Wahl eines einzigen, aber außergewöhnlich anpassungsfähigen Weins liegt? Was, wenn es einen Wein gibt, der seine Persönlichkeit je nach Gericht ändern kann wie ein Chamäleon seine Farbe? Dieser Wein existiert, und er ist das Herzstück der deutschen Weinkultur: der Riesling. Sein Geheimnis liegt nicht nur darin, „vielseitig“ zu sein – eine oft gehörte Platitüde. Sein Geheimnis ist eine meisterhafte strukturelle Grammatik aus drei Elementen: ein markantes Säure-Rückgrat, ein variabler Restzucker als Puffer und ein oft erfrischend niedriger Alkoholgehalt. Diese drei Faktoren spielen so perfekt zusammen, dass der Riesling eine unerreichte Bandbreite an Speisen begleiten kann.
Dieser Artikel ist kein weiterer simpler Pairing-Guide. Er ist eine gastronomische Analyse, die Ihnen zeigt, warum Sie mit einer einzigen Kiste Riesling besser aufgestellt sind als mit einem Sammelsurium verschiedener Flaschen. Wir werden die Mechanik hinter den Paarungen entschlüsseln, von der Konfrontation mit Wasabi bis zum Tanz mit Sauerkraut, und beweisen, dass Riesling die ultimative Antwort für den cleveren Gastgeber ist.
Um die außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit des Rieslings zu verstehen, werden wir seine Fähigkeiten in verschiedenen kulinarischen Szenarien analysieren. Dieser Leitfaden zeigt auf, wie die einzigartige Struktur des Rieslings ihm erlaubt, selbst die schwierigsten Speisenbegleiter zu meistern.
Sommaire: Die Chamäleon-Fähigkeiten des Rieslings entschlüsselt
- Warum Wasabi und Ingwer den Riesling nicht töten, sondern beflügeln
- Wie die Säure das Fett von Eisbein oder Haxe durchschneidet
- Wenn trocken zu hart und süß zu klebrig ist: Der Alleskönner im Glas
- Welches Gericht verdient einen 20 Jahre alten Riesling?
- Kann man säurebetonten Riesling auch ohne Essen genießen?
- Warum ist Riesling ohne spürbare Säure oft flach und langweilig?
- Warum alkoholstarke Weine bei scharfem Essen wie Brandbeschleuniger wirken
- Säure im Wein: Feind des Magens oder Freund des Geschmacks?
Warum Wasabi und Ingwer den Riesling nicht töten, sondern beflügeln
Die asiatische Küche, insbesondere die japanische, stellt Weine vor eine extreme Herausforderung. Aggressive Aromen wie die stechende Schärfe von Wasabi, die beißende Frische von Ingwer oder die salzige Tiefe von Sojasauce können die meisten Weine einfach überwältigen und metallisch oder flach schmecken lassen. Doch hier zeigt der Riesling seine erste Superkraft: die perfekte Synergie von dezenter Restsüße und hoher Säure. Ein feinherber oder Kabinett-Riesling agiert nicht als Gegenspieler, sondern als harmonischer Partner.
Der Restzucker im Wein wirkt wie ein Puffer, der die scharfen Spitzen des Wasabis abfedert und die Schärfe in eine angenehme Wärme verwandelt, anstatt sie zu verstärken. Gleichzeitig sorgt die prägnante Säure dafür, dass der Wein nicht klebrig wirkt. Sie reinigt den Gaumen, hebt die feinen Aromen des rohen Fisches bei Sushi und Sashimi hervor und schafft eine Brücke zum eingelegten Ingwer. Es ist ein faszinierender Dialog: Der Wein zähmt die Schärfe, während die Schärfe die Frucht im Wein hervorhebt.

Wie dieses Zusammenspiel in der Praxis aussieht, zeigt sich in der modernen Gastronomie. Off-dry Riesling-Stile, also solche mit spürbarer Restsüße, sind die erste Wahl, um die Hitze von scharfen asiatischen Gerichten wie Thai-Currys oder Szechuan-Gerichten zu zähmen. Anstatt mit der Schärfe zu kollidieren, umhüllt die Süße des Weins die Gewürze und lässt die Aromen tanzen, anstatt zu brennen. Der Riesling stirbt nicht im Kampf mit den Gewürzen – er erwacht durch sie erst richtig zum Leben.
Das Ergebnis ist eine Paarung, die nicht auf Kompromissen, sondern auf gegenseitiger Bereicherung beruht – ein klares Zeichen für die außergewöhnliche gastronomische Intelligenz des Rieslings.
Wie die Säure das Fett von Eisbein oder Haxe durchschneidet
Verlassen wir Asien und wenden uns der deftigen deutschen Hausmannskost zu: Eisbein mit Sauerkraut, eine knusprige Schweinshaxe oder eine reichhaltige Leberwurst. Hier ist nicht Schärfe der Gegner, sondern Fett. Ein schwerer, fetthaltiger Bissen kann den Gaumen belegen und jeden subtilen Wein erdrücken. Viele würden hier instinktiv zu einem kräftigen Rotwein oder Bier greifen. Doch der Riesling, insbesondere in seiner trockenen und kraftvollen Ausprägung, erweist sich als chirurgisch präzise Waffe gegen die Reichhaltigkeit.
Das Geheimnis ist sein markantes Säure-Rückgrat. Säure im Wein funktioniert wie ein Lösungsmittel für Fett. Sie durchschneidet die opulente Textur des Fleisches, emulgiert das Fett auf der Zunge und hinterlässt ein Gefühl von Frische und Sauberkeit. Jeder Schluck Riesling nach einem Bissen Haxe ist wie ein Reset-Knopf für den Gaumen, der ihn wieder aufnahmebereit für den nächsten Bissen macht. Ohne diese Säure würde die Kombination schnell schwer und ermüdend werden. Es gilt ein altes Sprichwort unter Weinkennern: „What grows together, goes together“ – was zusammen wächst, passt auch zusammen. Riesling und Schwein sind beide tief in der deutschen Kultur verwurzelt und bilden daher eine natürliche, fast instinktive Allianz.
Ein wunderbares Beispiel aus der Praxis ist eine typisch pfälzische Brotzeit. Wie Experten betonen, ist eine der einfachsten und zugleich köstlichsten Paarungen die Kombination aus Pfälzer Leberwurst auf Roggenbrot mit einem Glas trockenem, jungem und robustem Riesling. Die Säure des Weins hebt die würzigen Noten der Wurst hervor und balanciert ihre Cremigkeit perfekt aus. Selbst eine Schweinepastete oder kaltes Pökelfleisch werden durch einen trockenen Riesling veredelt und leichter verdaulich.
Anstatt das Gericht zu dominieren, dient der Wein als belebendes Element, das die Mahlzeit von Anfang bis Ende genussvoll und dynamisch hält. Er ist nicht nur ein Getränk, sondern ein aktiver Bestandteil des kulinarischen Erlebnisses.
Wenn trocken zu hart und süß zu klebrig ist: Der Alleskönner im Glas
Das wahre Genie des Rieslings als kulinarisches Chamäleon zeigt sich in seiner Bandbreite. Während andere Rebsorten oft nur in einer trockenen oder süßen Variante überzeugen, beherrscht der Riesling das gesamte Spektrum dazwischen meisterhaft. Von knochentrocken über feinherb bis hin zu edelsüß – jede Stilistik hat ihren Platz und ihre Funktion. Diese Vielfalt ist der Grund, warum ein pragmatischer Gastgeber mit einer einzigen Rebsorte eine ganze Menüfolge abdecken kann. In Deutschland, dem Herzen der Riesling-Welt, hat sich diese Klassifizierung zu einer hohen Kunst entwickelt.
Die enorme Bedeutung des Rieslings in Deutschland ist kein Zufall. Wie eine Erhebung aus dem Jahr 2024 bestätigt, hat allein Rheinland-Pfalz, das größte deutsche Weinanbaugebiet, mit 17.462 Hektar einen neuen Höchststand in der Riesling-Anbaufläche erreicht. Diese enorme Fläche ermöglicht die Produktion einer schier endlosen Vielfalt an Weinstilen für jeden Geschmack und jede Gelegenheit.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die wichtigsten deutschen Riesling-Stile und ihre idealen Einsatzgebiete, die zeigen, wie der Wein seine Persönlichkeit an das Gericht anpasst.
| Stil | Süße-Level | Charakteristik | Beste Speisenpaarung |
|---|---|---|---|
| Kabinett | Trocken bis feinherb | Leicht, hohe Säure, frische Apfel- und Birnennoten | Sushi, Salate, frittierte Speisen |
| Spätlese | Halbtrocken bis fruchtig | Konzentrierter, vollerer Körper | Schweinebraten, gegrillter Heilbutt, milde Currys |
| Auslese | Meist süß | Handgelesen, reife Trauben | Foie Gras, würzige Käse |
| Beerenauslese | Süß | Noble Rot, Honig- und Aprikosennoten | Blauschimmelkäse, Obsttorten |
Ein trockener Kabinett kann als Aperitif oder zu leichten Vorspeisen dienen. Eine Spätlese mit leichter Restsüße ist der perfekte Partner für den reichhaltigen Hauptgang. Und eine edelsüße Auslese oder Beerenauslese kann ein Käse-Dessert oder eine Fruchttorte brillant begleiten. Man muss nur die richtige Stilistik aus der Kiste ziehen.
Diese Flexibilität ist es, die den Riesling von fast allen anderen Rebsorten unterscheidet und ihn zur ultimativen Geheimwaffe für jeden Gastgeber macht.
Welches Gericht verdient einen 20 Jahre alten Riesling?
Während junge Rieslinge mit ihrer spritzigen Frucht und knackigen Säure begeistern, vollzieht die Rebsorte mit der Reifung eine faszinierende Metamorphose. Ein 20 Jahre alter Riesling ist ein völlig anderes Wesen: Die primären Fruchtaromen von Apfel und Zitrus weichen komplexen Tertiäraromen. Die Farbe vertieft sich zu einem leuchtenden Gold, und am Gaumen entwickelt sich eine seidige Textur. Vor allem aber treten die berühmten Petrol- oder Kerosinnoten hervor. Für Kenner ist dies kein Fehler, sondern ein Zeichen höchster Reife. Der Fachbegriff dafür lautet „Firne“ oder „Firniss“.
Ein derart komplexer und gereifter Wein verlangt nach einem besonderen Gericht. Laute, aggressive Aromen würden seine filigrane Komplexität zerstören. Stattdessen braucht er einen Partner, der seine subtilen Noten respektiert und ergänzt. Ein solcher Wein ist kein „Alltagsbegleiter“ mehr, sondern ein Meditationswein, der die Hauptrolle spielen will. Die Speise muss ihm die Bühne bereiten, anstatt sie ihm zu stehlen. Einfachheit und Produktqualität sind hier der Schlüssel.

Welche Gerichte sind also eines solchen Weines würdig? Experten empfehlen puristische Zubereitungen. Ein einfach geröstetes Geflügel wie ein Bressehuhn, dessen reiner Fleischgeschmack nicht von schweren Saucen überdeckt wird, ist ein idealer Partner. Auch ein edler Fisch, nur mit Salz und Zitrone gegrillt, kann die mineralischen und gereiften Noten eines alten Großen Gewächses wunderbar spiegeln. Geräucherter Fisch, wie Lachs oder Aal, geht einen faszinierenden Dialog mit den Petrolnoten des Weins ein. Selbst klassische Desserts wie ein nicht zu süßer Apfelstrudel können von der Komplexität einer gereiften Auslese profitieren.
Ein 20 Jahre alter Riesling ist ein Ereignis. Er verdient ein Gericht, das ihm mit Respekt und Zurückhaltung begegnet, um seine über Jahrzehnte entwickelte Weisheit voll zur Geltung zu bringen.
Kann man säurebetonten Riesling auch ohne Essen genießen?
Nach all den Diskussionen über die gastronomischen Talente des Rieslings stellt sich eine berechtigte Frage: Ist er ausschließlich ein Speisebegleiter? Muss man immer eine komplexe Mahlzeit zubereiten, um einen guten Riesling zu genießen? Die Antwort ist ein klares Nein. Tatsächlich ist die Kultur des Riesling-Genusses in Deutschland tief mit dem sozialen, unkomplizierten Beisammensein verbunden, oft ganz ohne die Notwendigkeit einer vollwertigen Mahlzeit.
Gerade die leichten, säurebetonten Stile wie ein trockener Kabinett oder ein feinherber Gutswein von der Mosel oder aus dem Rheingau sind prädestinierte Solisten. Ihr niedriger Alkoholgehalt von oft nur 8 bis 11 Prozent macht sie erfrischend und animierend, ohne zu ermüden. Sie sind die perfekten Weine für einen sonnigen Nachmittag auf der Terrasse, als Aperitif vor dem Essen oder einfach als Gesprächsbegleiter mit Freunden. Die hohe Säure sorgt für einen „trinkanimierenden“ Effekt, der den Speichelfluss anregt und Lust auf den nächsten Schluck macht.
Ein wunderbares Beispiel für diese Kultur ist der „Weinstand am Goetheblick“ im Rheingau, wo man mitten in den Weinbergen mit einem Glas Schloss Johannisberger Riesling den Blick über das Tal schweifen lassen kann. Hier geht es nicht um komplexe Menüs, sondern um den puren Genuss des Weins in seiner natürlichen Umgebung. Eine noch typischere deutsche Tradition ist die Weinschorle. Ein guter, trockener Riesling gemischt mit Mineralwasser ist an heißen Sommertagen ein unschlagbar erfrischendes Getränk. Es zeigt, dass Riesling nicht immer mit Ehrfurcht genossen werden muss, sondern auch ein unkomplizierter Durstlöscher sein kann.
Ob als anspruchsvoller Meditationswein oder als spritzige Schorle – der Riesling beweist auch ohne Speisenbegleitung seine Vielseitigkeit und seinen tiefen kulturellen Wert in Deutschland.
Warum ist Riesling ohne spürbare Säure oft flach und langweilig?
Die Säure ist das Rückgrat, das Skelett des Rieslings. Ohne sie würde der Wein in sich zusammenfallen. Ein Riesling ohne eine präsente, spürbare Säure wirkt nicht weich oder mild, sondern schlichtweg flach, breit und uninteressant. Die Säure ist der Motor, der die Aromen transportiert und dem Wein Struktur, Langlebigkeit und Frische verleiht. Sie ist das entscheidende Qualitätsmerkmal, das den deutschen Riesling weltweit so berühmt gemacht hat.
Die Bedeutung der deutschen Rieslingproduktion wird durch die Zahlen untermauert. Mit fast 24.000 Hektar Rebfläche macht Deutschland etwa 48% des weltweiten Riesling-Anbaus aus und dominiert damit die Produktion. Diese Dominanz basiert auf den einzigartigen klimatischen Bedingungen, die es ermöglichen, Trauben mit hoher Säure und gleichzeitig voller aromatischer Reife zu erzeugen. Weinexperten vergleichen die Intensität der Riesling-Säure oft mit der von Zitronenlimonade. Wie das renommierte Weinportal Wine Folly feststellt, hat Riesling eine hohe Säure, die dem Niveau von Limonade ähnelt. Diese Analogie verdeutlicht die lebendige und erfrischende Natur des Weins.
Diese Säure hat mehrere entscheidende Funktionen:
- Struktur und Langlebigkeit: Säure ist ein natürliches Konservierungsmittel. Sie ermöglicht es Rieslingen, über Jahrzehnte zu reifen und dabei komplexe Tertiäraromen zu entwickeln.
- Balance zur Süße: Erst die hohe Säure macht es möglich, Rieslinge mit hohem Restzucker zu produzieren, ohne dass sie plump oder klebrig wirken. Die Säure sorgt für das nötige Gegengewicht und die Spannung am Gaumen.
- Gastronomische Funktion: Wie bereits besprochen, ist die Säure unerlässlich, um Fett zu durchschneiden und den Gaumen zu erfrischen.
- Aromatischer Träger: Die Säure lässt die Fruchtaromen von Apfel, Pfirsich oder Zitrus heller und präziser erscheinen. Sie verleiht dem Wein seine nervige, vibrierende Energie.
Einem Riesling die Säure zu nehmen, wäre, als würde man einem Sportwagen den Motor ausbauen. Er mag noch gut aussehen, aber seine wesentliche Funktion und Faszination sind verloren.
Warum alkoholstarke Weine bei scharfem Essen wie Brandbeschleuniger wirken
Viele Menschen greifen bei scharfem Essen instinktiv zu einem kräftigen, alkoholstarken Wein, in der Annahme, dass „stark gegen stark“ hilft. Das ist ein fataler Fehler. Alkohol verstärkt die Wirkung von Capsaicin, dem Stoff, der Chilis ihre Schärfe verleiht. Ein hochalkoholischer Wein wirkt daher wie ein Brandbeschleuniger im Mund und lässt das brennende Gefühl explodieren. Hier spielt der Riesling seine vielleicht wichtigste Karte aus: seinen typischerweise niedrigen Alkoholgehalt.
Ein klassischer Kabinett von der Mosel hat oft nur 8-9% Alkohol. Im Vergleich dazu können Chardonnays aus der Neuen Welt oder südeuropäische Rotweine leicht 14-15% erreichen. Dieser Unterschied ist am Gaumen dramatisch. Während der hohe Alkohol des Chardonnays die Schärfe unerträglich macht, wirkt der leichte Riesling kühlend und lindernd. Die Kombination aus niedrigem Alkohol, hoher Säure und oft einer leichten Restsüße ist die perfekte wissenschaftliche Antwort auf scharfes Essen. Die Süße puffert die Schärfe, die Säure erfrischt und der niedrige Alkohol gießt kein zusätzliches Öl ins Feuer.
Die Eignung verschiedener Weintypen für scharfe Speisen lässt sich direkt mit ihrem Alkoholgehalt in Verbindung bringen, wie die folgende vergleichende Analyse verdeutlicht.
| Weintyp | Typischer Alkoholgehalt | Eignung für scharfe Speisen | Effekt bei Schärfe |
|---|---|---|---|
| Mosel Riesling Kabinett | 8-9% vol | Exzellent | Mildernd, erfrischend |
| Riesling Spätlese | 9-11% vol | Sehr gut | Ausbalancierend |
| Großes Gewächs | 12-13.5% vol | Befriedigend | Neutral bis leicht verstärkend |
| Neuer Welt Chardonnay | 14-15% vol | Schlecht | Schärfe verstärkend |
Diese Tabelle zeigt unmissverständlich, warum leichte Rieslinge die unangefochtenen Champions im Umgang mit scharfen Gerichten sind. Starke indische Gewürze, feurige asiatische Currys oder eine würzige Entenkeule sind klassische Paarungen, bei denen der Riesling seine Überlegenheit ausspielt und für Harmonie anstelle von Eskalation sorgt.
Die Wahl eines leichten Rieslings ist also nicht nur eine Frage des Geschmacks, sondern eine kluge strategische Entscheidung, um das kulinarische Erlebnis zu maximieren.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Geheimnis des Rieslings ist sein anpassungsfähiges Zusammenspiel von Säure, Restzucker und niedrigem Alkohol, was ihn zum „kulinarischen Chamäleon“ macht.
- Seine hohe Säure durchschneidet mühelos Fett und sorgt für Frische bei deftigen Gerichten, während die Restsüße Schärfe in asiatischen Speisen neutralisiert.
- Die Vielfalt der Stile von trocken bis süß ermöglicht es, mit nur einer Rebsorte ein komplettes Menü zu begleiten – die perfekte Lösung für pragmatische Gastgeber.
Säure im Wein: Feind des Magens oder Freund des Geschmacks?
Die ständige Betonung der „hohen Säure“ des Rieslings kann bei manchen Weintrinkern Bedenken auslösen, insbesondere bei Personen mit einem empfindlichen Magen. Ist diese Säure nicht aggressiv oder gar ungesund? Hier muss man klar differenzieren: Die Säure im Wein ist nicht der Feind, sondern der beste Freund des Geschmacks. Sie ist für die Frische, die Langlebigkeit und die gastronomische Vielseitigkeit verantwortlich, die den Riesling auszeichnen. Ohne sie wäre der Wein, wie wir gesehen haben, uninteressant.
Die deutsche Weinproduktion, die laut offiziellen Schätzungen für 2024 eine Erntemenge von rund 7,8 Millionen Hektoliter Weinmost erwartet, legt größten Wert auf die Qualität und die perfekte Balance der Weine. Die Säure wird dabei nicht als Problem, sondern als zentrales Qualitätsmerkmal gehegt und gepflegt. Für diejenigen, die dennoch empfindlich auf Säure reagieren, gibt es glücklicherweise zahlreiche Möglichkeiten, Riesling zu genießen, ohne auf ihn verzichten zu müssen.
Die Lösung liegt nicht darin, säurearme Weine zu suchen – die es beim Riesling kaum gibt –, sondern Weine zu wählen, bei denen die Säure perfekt integriert oder gepuffert ist. Winzer und Weinexperten haben hierfür eine Reihe von bewährten Strategien und Empfehlungen, die es jedem ermöglichen, den passenden Riesling zu finden.
Ihr Aktionsplan: Rieslinggenuss für säureempfindliche Trinker
- Stilistik wählen: Greifen Sie zu feinherben oder halbtrockenen Rieslingen. Der vorhandene Restzucker umhüllt die Säure und lässt sie weicher und runder erscheinen.
- Vinifikation prüfen: Suchen Sie gezielt nach Weinen, die einen biologischen Säureabbau (BSA) durchlaufen haben. Dabei wird die spitzere Apfelsäure in die mildere Milchsäure umgewandelt.
- Jahrgang beachten: Bevorzugen Sie Rieslinge aus wärmeren, sonnenreichen Jahrgängen. In diesen Jahren ist die Säure physiologisch reifer und wird als weniger aggressiv empfunden.
- Speisen kombinieren: Genießen Sie den Wein nicht solo, sondern zu fetthaltigen oder proteinreichen Speisen wie Käse, Rahmsaucen oder Fisch. Das Fett in der Speise puffert die Säure des Weins.
- Temperatur anpassen: Servieren Sie den Wein nicht eiskalt. Bei moderaten Temperaturen (ca. 10-12°C) tritt die Säure weniger spitz in den Vordergrund und die Fruchtaromen werden betont.
Die Säure ist also kein Hindernis, sondern ein charakteristisches Merkmal, das man mit dem richtigen Wissen wunderbar managen kann. Sie ist die Quelle der Lebendigkeit und des gastronomischen Talents des Rieslings.
Vertrauen Sie also beim nächsten Einkauf auf das kulinarische Chamäleon und legen Sie eine Kiste Riesling in Ihren Keller. Mit dem Wissen um die richtige Stilistik für den richtigen Anlass sind Sie für jede kulinarische Eventualität bestens gerüstet.
Häufige Fragen zum Thema Riesling als Speisebegleiter
Wie schmeckt Riesling?
Riesling schmeckt meist fruchtig nach Apfel, Zitrusfrucht oder Passionsfrucht, kann jedoch auch mineralische Noten (wie nasser Stein oder Schiefer) oder blumige Aromen aufweisen. Gereifte Rieslinge entwickeln zudem komplexe Noten von Honig und Petrol.
Was macht einen Riesling trocken?
Bei einem Restzuckergehalt von maximal 4 Gramm pro Liter spricht man von trockenem Wein. Laut deutschem Weingesetz sind bis zu 9 Gramm pro Liter erlaubt, sofern der Gesamtsäuregehalt höchstens 2 Gramm pro Liter unter dem Restzuckergehalt liegt, was die geschmackliche Balance sicherstellt.
Warum ist Spätlese bei Kennern beliebt?
Die Spätlese, bei der die Trauben länger am Stock reifen, bietet ein besonders interessantes und volles Aroma. Das resultierende Spiel aus einer oft leichten Restsüße und einer präsenten Säure schafft eine faszinierende Spannung am Gaumen, die von Weinkennern sehr geschätzt wird und den Wein zu einem exzellenten Speisebegleiter macht.