Veröffentlicht am Mai 12, 2024

Der astronomische Preis deutscher Trockenbeerenauslesen (TBA) ist weniger eine Frage des Geschmacks als vielmehr das Ergebnis einer meisterhaft inszenierten Wertschöpfungsstrategie.

  • Der Wert wird durch extreme, künstliche Verknappung, historisches Prestige und die gezielte Dynamik von exklusiven Auktionen systematisch aufgebaut.
  • Diese Weine agieren am Markt weniger als Getränk, sondern als handelbare Legenden und alternative Wertanlage, vergleichbar mit Kunst oder seltenen Uhren.

Empfehlung: Betrachten Sie eine TBA nicht nur als Wein, sondern als strategisches Asset. Verstehen Sie die Mechanismen hinter dem Preis, bevor Sie ein Gebot abgeben oder in eine Flasche investieren.

Meine Damen und Herren, nehmen Sie Platz. Der Saal ist still, die Spannung knistert. Auf der Bühne, unter dem Licht eines einzelnen Spots, präsentiere ich nicht einfach nur eine Flasche Wein. Ich präsentiere eine Legende, in flüssiger Form konserviert: eine deutsche Trockenbeerenauslese. Wenn der Hammer fällt, wird der Preis vier-, vielleicht fünfstellig sein. Viele fragen sich, wie ein Wein einen solchen Wert erreichen kann. Man hört oft, es liege an der Süße, an der seltenen Edelfäule oder am Alterungspotenzial. Das ist zwar korrekt, aber es ist, als würde man den Wert eines Rembrandt-Gemäldes allein an den Kosten für Farbe und Leinwand bemessen.

Die Wahrheit ist weitaus komplexer und faszinierender. Wir müssen aufhören, über Wein zu sprechen, und anfangen, über ein Luxusgut zu diskutieren, dessen Wert nach den gleichen Regeln wie bei der Haute Horlogerie oder der bildenden Kunst konstruiert wird. Der Preis, den Sie heute Abend erleben, ist kein Zufall. Er ist das Resultat einer sorgfältig orchestrierten Symphonie aus Geschichte, gezielter Verknappung und der einzigartigen Psychologie des Auktionssaals. Dies ist keine Weinprobe, sondern eine Lektion in Wertschätzung und strategischer Investition.

In diesem Artikel werden wir den Hammer beiseitelegen und die Mechanismen hinter diesen phänomenalen Preisen enthüllen. Wir werden untersuchen, wie historisches Prestige-Kapital in Euro umgewandelt wird, wie Winzer durch „inszenierte Knappheit“ die Nachfrage steuern und wie Sie als Sammler oder Investor diesen exklusiven Markt für sich nutzen können. Betrachten Sie dies als Ihre persönliche Einweisung, bevor Sie Ihr Gebot für ein Stück flüssiger deutscher Geschichte abgeben.

Dieser Leitfaden führt Sie durch die entscheidenden Facetten, die den Mythos und den Marktwert der deutschen Spitzenweine ausmachen. Das folgende Inhaltsverzeichnis gibt Ihnen einen Überblick über die Themen, die wir beleuchten werden, um das Rätsel dieser wertvollen Tropfen zu entschlüsseln.

Als deutscher Riesling teurer war als Bordeaux: Ein Blick ins Jahr 1900

Der Gedanke, dass ein deutscher Wein die Preise der berühmtesten Bordeaux-Châteaux übertrifft, mag heute für viele überraschend klingen. Doch was heute als Ausnahme erscheint, war um die Wende zum 20. Jahrhundert die Norm. An den großen Tafeln der europäischen Königshäuser und in den Kellern der internationalen Elite galt deutscher Riesling, insbesondere von Mosel, Saar und Rhein, als der Gipfel des Weinbaus. Die Preise, die damals für edelsüße Auslesen und Trockenbeerenauslesen erzielt wurden, stellten die von Lafite, Latour und Margaux regelmäßig in den Schatten. Dieses historische Prestige-Kapital ist keine verblasste Erinnerung, sondern das Fundament, auf dem die heutigen Rekordpreise gebaut sind.

Diese Tradition der Höchstpreise setzt sich ungebrochen fort. Sie ist der Beweis dafür, dass der Wert dieser Weine tief in der Geschichte verwurzelt ist. Ein atemberaubendes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit untermauert dies: So erreichte 2015 eine Egon Müller Scharzhofberger Trockenbeerenauslese bei der Trierer Versteigerung einen Preis von 14.994 Euro für eine einzige 0,75-Liter-Flasche. Dies sind jedoch nur die Rekorde für junge Weine. Der absolute Rekord für einen deutschen Wein stammt aus dem Jahr 1987, als eine Flasche Johannisberger Riesling aus dem Jahr 1735 für umgerechnet fast 27.000 Euro (53.000 DM) den Besitzer wechselte. Diese Zahlen sind keine Ausreißer, sondern Signale eines Marktes, der seine Ikonen seit jeher zu schätzen weiß und ihre Wertigkeit über Generationen hinweg tradiert.

Wenn ein Sammler heute eine TBA von Egon Müller oder Klaus Peter Keller erwirbt, kauft er nicht nur einen Wein, sondern auch einen Anteil an dieser ruhmreichen Vergangenheit. Es ist die Gewissheit, ein Produkt in Händen zu halten, das schon vor über 100 Jahren als das Beste der Welt galt. Dieser historische Kontext ist ein entscheidender, nicht zu unterschätzender Faktor in der Preisbildung und erklärt, warum Kenner bereit sind, Summen zu zahlen, die für Außenstehende unvorstellbar erscheinen.

Goldkapsel und Versteigerungswein: Wie künstliche Verknappung den Preis bestimmt

Meine Damen und Herren, das oberste Gebot im Handel mit Luxusgütern lautet: Begehrlichkeit entsteht durch Unerreichbarkeit. Was jeder haben kann, will niemand. Nirgendwo wird dieses Prinzip virtuoser angewendet als im Markt für deutsche Spitzenweine. Die Rede ist von inszenierter Knappheit – einer strategischen Limitierung des Angebots, die den Preis durch die Decke schießen lässt. Die berühmte „Goldkapsel“ ist hierbei eines der wirkungsvollsten Instrumente. Während die Standardabfüllungen eines Weinguts eine silberne oder weiße Kapsel tragen, sind die absolut besten Fässer, oft nur eine Handvoll, für Weine mit goldener Kapsel reserviert. Diese werden zudem häufig nicht regulär verkauft, sondern ausschließlich über die renommierten VDP-Versteigerungen angeboten.

Dadurch entsteht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Der normale Wein ist verfügbar, der Auktionswein mit Goldkapsel wird zur Legende, bevor er überhaupt den Keller verlassen hat. Das Weingut Egon Müller an der Saar ist der unbestrittene Meister dieser Disziplin. Während ein Top-Bordeaux wie Château Lafite Rothschild jährlich über 200.000 Flaschen produziert, liegt die Gesamtproduktion von Egon Müller bei gerade einmal 10.000 Flaschen pro Jahr über alle Qualitätsstufen hinweg. Bei der legendären 2003er Trockenbeerenauslese wurden lediglich 22 Flaschen à 0,75 Liter und 36 halbe Flaschen versteigert. Das ist keine Knappheit, das ist die Definition von quasi Nicht-Existenz bei gleichzeitiger weltweiter Nachfrage.

Nahaufnahme einer goldenen Weinkapsel als Symbol der Exklusivität

Diese extreme Limitierung verwandelt den Kaufakt in eine Jagd. Sammler und Investoren aus aller Welt überbieten sich, um eine dieser extrem seltenen Flaschen zu ergattern. Der Preis wird so zu einem direkten Spiegelbild der Begehrlichkeit und nicht des reinen Produktionsaufwands. Die Goldkapsel und der exklusive Vertriebsweg über Auktionen sind somit keine reinen Qualitätsmerkmale, sondern vor allem brillante Marketing-Werkzeuge zur Maximierung des wirtschaftlichen und ideellen Wertes einer Flasche. Sie sind das Signal an den Markt: Dies ist nicht nur Wein, dies ist eine Trophäe.

Welchen Einfluss haben 100 Punkte von Robert Parker auf den Preis eines deutschen Weins?

Im globalen Weinmarkt gilt eine Bewertung von 100 Punkten durch einen einflussreichen Kritiker wie Robert Parker oder James Suckling als heiliger Gral. Sie kann den Preis einer Flasche über Nacht vervielfachen. Auch für deutsche Weine ist eine solche internationale Anerkennung ein Ritterschlag und öffnet die Türen zu den Kellern der reichsten Sammler der Welt. Eine 100-Punkte-Bewertung wirkt wie ein Brandbeschleuniger auf die ohnehin schon hohe Nachfrage und katapultiert einen Wein in die Stratosphäre der „perfekten“ und damit unbezahlbaren Gewächse. Es ist eine unmissverständliche Botschaft an den Markt: Hier handelt es sich um eine Ikone, eine Referenz für Qualität.

Allerdings – und das ist eine entscheidende Nuance für jeden Investor, der den deutschen Markt verstehen will – ist die Macht der internationalen Kritiker hier nicht absolut. Das deutsche Ökosystem hat seine eigenen, äußerst einflussreichen Bewertungsinstanzen. Publikationen wie der Gault&Millau WeinGuide oder der Falstaff genießen bei heimischen Sammlern und Händlern ein enormes Ansehen. Die VDP-Versteigerungen im Jahr 2024 zeigten dies eindrücklich: Weine, die ausschließlich hohe nationale Bewertungen erhalten hatten, erzielten zum Teil ähnliche oder sogar höhere Zuschlagspreise als ihre international gefeierten Pendants. Der Durchschnittspreis bei der VDP-Versteigerung an der Nahe 2024 lag bei beachtlichen 317,75 Euro pro Flasche, angetrieben von einer starken Binnennachfrage.

Das bedeutet für Sie als Sammler: Sie müssen zweigleisig fahren. Behalten Sie die internationalen Punktzahlen im Auge, denn sie treiben die globale Nachfrage. Aber ignorieren Sie niemals die lokalen Kritikerstimmen. Sie sind der Seismograph für den deutschen Markt, der oft schneller und sensibler auf neue Entwicklungen und aufstrebende Winzer reagiert. Ein Wein, der in Deutschland hochgelobt wird, ist oft der nächste Kandidat für internationale Berühmtheit. Wer hier frühzeitig investiert, kann von enormen Wertsteigerungen profitieren, bevor der globale Hype einsetzt. Die wahre Expertise liegt darin, die Signale beider Welten – der internationalen und der nationalen – richtig zu deuten.

Lohnt sich deutscher Spitzenwein als Geldanlage für die Rente?

Die Frage, ob Wein eine seriöse Geldanlage sein kann, wird oft mit einem Lächeln abgetan. Doch wenn wir über die Ikonen des deutschen Weinbaus sprechen, betreten wir das Feld der alternativen Assets, wo die Renditen mitunter die des Aktienmarktes übertreffen. Eine deutsche Trockenbeerenauslese von einem Spitzenweingut ist kein Konsumgut, sondern ein Sachwert mit enormem Wertsteigerungspotenzial. Die Kombination aus garantierter Alterungsfähigkeit, stetig abnehmender Verfügbarkeit (jede getrunkene Flasche reduziert das weltweite Angebot) und wachsender globaler Nachfrage schafft eine ideale Grundlage für eine Investition.

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. Betrachten wir die Wertentwicklung im Vergleich zum deutschen Leitindex DAX. Ein Investment in den DAX hätte zwischen 2003 und 2015 eine respektable Rendite erbracht. Eine Flasche der 2003er Egon Müller TBA, die 2003 bei der Versteigerung für rund 3.000 Euro erworben wurde, erreichte 2015 den Rekordpreis von fast 15.000 Euro. Das ist eine Wertsteigerung, die traditionelle Anlageklassen weit hinter sich lässt. Natürlich ist dies ein Extrembeispiel, aber es illustriert das Prinzip. Der folgende Vergleich zeigt das Potenzial auf.

Professioneller Weinkeller als Wertanlage mit historischen Flaschen

Diese Tabelle, basierend auf verfügbaren Auktionsdaten und Marktanalysen, verdeutlicht die mögliche Outperformance.

Wertentwicklung: VDP-Versteigerungswein vs. DAX
Investment Beispiel Zeitraum Wertsteigerung
VDP-Versteigerungswein 2003er Egon Müller TBA 2003-2015 +400% (von ca. 3.000€ auf 15.000€)
DAX Index Durchschnitt 2003-2015 +150%
Lagerungskosten Professionell Pro Jahr 15-30€ pro Kiste

Selbstverständlich birgt auch diese Anlageform Risiken. Die korrekte Lagerung bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist unerlässlich, um den Wert zu erhalten, und verursacht laufende Kosten. Zudem ist der Markt illiquide; ein Verkauf kann dauern und erfordert das richtige Netzwerk. Dennoch: Für einen geduldigen Investor mit dem nötigen Kapital und der richtigen Expertise kann ein Portfolio aus deutschen Spitzenweinen eine äußerst lukrative und vor allem genussvolle Ergänzung zur Altersvorsorge sein.

Wie schmeckt ein 500-Euro-Wein im Vergleich zu einem 50-Euro-Wein wirklich?

Dies ist die Frage, die mir als Auktionator am häufigsten gestellt wird. Ist der zehnfache Preis auch im Glas schmeckbar? Die Antwort ist ein klares: Ja, aber nicht so, wie die meisten es erwarten. Der Unterschied zwischen einem sehr guten 50-Euro-Wein und einer 500-Euro-TBA ist nicht nur eine Steigerung von „gut“ zu „besser“. Es ist ein Sprung in eine andere Dimension der sensorischen Erfahrung. Ein 50-Euro-Wein kann köstlich sein: fruchtig, ausgewogen, harmonisch. Eine große Trockenbeerenauslese hingegen ist ein intellektuelles Erlebnis. Sie erzählt eine Geschichte.

Was Sie im Glas finden, ist eine schier endlose Komplexität. Die Aromen wandeln sich von Minute zu Minute: von exotischen Früchten wie Mango und Maracuja über Noten von Honig, Bienenwachs und getrockneten Aprikosen bis hin zu würzigen Anklängen von Safran oder Ingwer. Am Gaumen explodiert der Wein förmlich, doch trotz seiner immensen Süße wird er von einer rasiermesserscharfen Säure perfekt balanciert. Diese Säure ist das Rückgrat, das dem Wein seine Frische und sein unglaubliches Alterungspotenzial verleiht. Wie es ein Kenner treffend beschreibt:

Die Farbe einer Trockenbeerenauslese ist häufig golden bis orangefarbig, man könnte auch sagen bernsteinfarben. Es sind Weine mit einem vollmundigen, intensiven Geschmack und einem hohen Anteil an unvergorenem traubeneigenen Zucker und brillanter Säure.

– Der Weinmakler, Der Weinmakler – Trockenbeerenauslese Beschreibung

Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Zeit. Ein 50-Euro-Wein ist meist für den baldigen Genuss gemacht. Eine große TBA hingegen besitzt das Potenzial, sich über Jahrzehnte zu entwickeln. Laut Experten können Trockenbeerenauslesen bei optimaler Lagerung bis zu 100 Jahren reifen. Mit jedem Jahr der Reife legt der Wein seine primären Fruchtaromen ab und entwickelt tiefgründige Tertiäraromen, die an Tee, Leder oder Nüsse erinnern. Sie trinken also nicht nur den Jahrgang, der auf der Flasche steht, sondern die Essenz von 20, 30 oder 50 Jahren Flaschenreife. Der Preis von 500 Euro bezahlt nicht nur den Geschmack von heute, sondern das Versprechen auf eine unvergleichliche aromatische Reise in die Zukunft.

Wie Sie an den berühmten VDP-Versteigerungen teilnehmen und Raritäten ergattern

Für viele Sammler wirken die VDP-Versteigerungen wie ein unzugänglicher Club. Doch der Zugang zu diesen begehrten Raritäten ist unkomplizierter, als es den Anschein hat. Die Versteigerungen sind der primäre Marktplatz, auf dem die wertvollsten deutschen Weine – die sogenannten „Nassweine“, da sie vor Ort verkostet werden können – erstmals der Öffentlichkeit angeboten werden. Hier werden die Referenzpreise für ein ganzes Jahr festgelegt. Die Teilnahme ist der direkteste Weg, um an authentische Flaschen zu kommen, deren Provenienz über jeden Zweifel erhaben ist. Mit der richtigen Vorbereitung können auch Sie mitbieten und sich Ihre Trophäen sichern.

Der Prozess wurde in den letzten Jahren durch die Digitalisierung erheblich vereinfacht. Die Auktionen werden live gestreamt, und Gebote können online über einen zugelassenen Kommissionär abgegeben werden. Ein Kommissionär ist ein vom VDP lizensierter Weinhändler, der in Ihrem Namen bietet. Er ist Ihr Agent im Auktionssaal, der Ihre Gebotslimits kennt und versucht, die Weine für Sie zum bestmöglichen Preis zu ersteigern. Die Auswahl eines erfahrenen Kommissionärs ist der entscheidende erste Schritt. Er kann Sie auch beraten, welche Weine in einem bestimmten Jahrgang besonders vielversprechend sind.

Um Ihnen den Einstieg zu erleichtern, habe ich den Prozess in einem konkreten Plan zusammengefasst. Wenn Sie diese Schritte befolgen, steht Ihrem ersten erfolgreichen Gebot nichts mehr im Wege.

Ihr Aktionsplan zur Teilnahme an VDP-Versteigerungen

  1. Registrierung und Auswahl: Registrieren Sie sich kostenfrei auf der offiziellen Online-Plattform (z.B. www.vdp-auction.com). Wählen Sie anschließend aus der Liste der zugelassenen Weinkommissionäre einen Partner Ihres Vertrauens aus. Bekannte Namen sind hier beispielsweise Elmar Bergweiler oder die K&U Weinhalle.
  2. Studium und Vorprobe: Studieren Sie den Auktionskatalog sorgfältig, der einige Wochen vor der Auktion veröffentlicht wird. Wenn möglich, nehmen Sie an den Vorproben teil, die meist am Vormittag der Versteigerung stattfinden, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.
  3. Limits festlegen: Definieren Sie klare maximale Gebote für Ihre Wunschweine. Erstellen Sie eine „Gebotspyramide“: Setzen Sie sich Limits für mehrere Weine, um Ihre Chancen zu erhöhen, mindestens eine Ihrer Ziel-Flaschen zu erstehen.
  4. Gebotsabgabe: Sie haben zwei Möglichkeiten: Entweder Sie hinterlegen Ihre Maximalgebote vorab bei Ihrem Kommissionär, oder Sie verfolgen den Live-Stream (oft auf YouTube) und geben Ihre Gebote in Echtzeit telefonisch oder per Messenger an Ihren Kommissionär durch.
  5. Zuschlag und Abwicklung: Nach einem erfolgreichen Gebot erhalten Sie die Rechnung von Ihrem Kommissionär, die den Hammerpreis zuzüglich Aufgeld und Mehrwertsteuer enthält. Der Kommissionär kümmert sich um die Abholung und den sicheren Versand der Weine an Sie.

Warum kostet Wein vom „Roten Hang“ das Dreifache eines Nachbarweins?

Stellen Sie sich vor, Sie stehen vor zwei benachbarten Grundstücken. Das eine liegt direkt am Meer mit unverbaubarem Blick, das andere in der zweiten Reihe mit Blick auf das Haus davor. Welches ist wertvoller? Im Weinbau verhält es sich exakt genauso, und dieses Prinzip nennt sich Terroir. Es ist die einzigartige Kombination aus Boden, Klima, Topografie und der Handschrift des Winzers, die einen Wein unverwechselbar macht. Der „Rote Hang“ zwischen Nackenheim und Nierstein in Rheinhessen ist eines der berühmtesten Beispiele für dieses Phänomen in Deutschland.

Der Name ist Programm: Der Boden besteht aus rotem Tonschiefer, einem Überbleibsel eines urzeitlichen Kontinents. Dieser rote Boden hat zwei entscheidende Eigenschaften: Er speichert die Tageswärme exzellent und gibt sie nachts wieder an die Reben ab, was eine perfekte Reifung der Trauben fördert. Gleichzeitig ist er mineralreich und verleiht den Rieslingen vom Roten Hang eine unverkennbare, würzig-kräuterige Note und eine fast salzig anmutende Mineralität, die sie von allen anderen Weinen der Region unterscheidet. Die steile, nach Süden und Südosten ausgerichtete Hanglage sorgt zudem für eine maximale Sonneneinstrahlung.

Ein Wein aus einer Nachbarlage, nur wenige hundert Meter entfernt, aber mit einem anderen Boden (z.B. Löss oder Lehm) und einer weniger optimalen Ausrichtung, wird niemals diese spezifische Aromatik und Struktur erreichen. Er kann ein guter Wein sein, aber ihm fehlt die DNA, der „Fingerabdruck“ des Roten Hangs. Sammler und Kenner sind bereit, für diese Einzigartigkeit einen erheblichen Aufpreis zu zahlen. Der dreifache Preis ist also kein Marketing-Gag, sondern die logische Konsequenz einer überlegenen geologischen und klimatischen Ausgangslage. Sie bezahlen für das „Grundstück in erster Reihe“ – für ein Terroir, das nachweislich Weine von Weltklasse-Format hervorbringt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Wert von Spitzen-TBA ist ein Konstrukt aus gezielter Verknappung, nicht nur aus Qualität. Instrumente wie die Goldkapsel und Auktions-Exklusivität sind entscheidende Preistreiber.
  • Historisches Prestige, das bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, fungiert als handfestes Kapital, das den heutigen hohen Preisen Legitimität und Stabilität verleiht.
  • Die VDP-Versteigerungen sind die zentrale Arena für die Preisbildung und der direkteste Weg, um an authentische und wertstabile Raritäten zu gelangen.

Warum genießen deutsche Weine heute wieder Weltruf nach dem Image-Tief der 80er?

Der heutige Weltruf deutscher Weine ist keine Selbstverständlichkeit. Wer den Markt der 70er und 80er Jahre miterlebt hat, erinnert sich an eine dunkle Zeit. Deutschland war weltweit vor allem für billige, süßliche Massenweine wie die „Liebfrauenmilch“ bekannt, die das Image des Qualitätsweinlandes schwer beschädigten. Diese Produkte überschwemmten die Supermarktregale und führten zu einem dramatischen Vertrauensverlust, auch im eigenen Land. Ein historischer Tiefstand wurde erreicht, als der Marktanteil deutscher Weine in Deutschland auf nur noch 42% sank. Es bedurfte einer radikalen Kehrtwende, um aus diesem Tal herauszufinden.

Diese Wende kam nicht von der Politik, sondern von den Winzern selbst. Die treibende Kraft war die Gründung und konsequente Arbeit des Verbands Deutscher Prädikatsweingüter (VDP). Der VDP erkannte, dass der einzige Weg zurück an die Spitze über eine kompromisslose Qualitätsoffensive führte. Das entscheidende Instrument war die Einführung einer strengen, an Burgund orientierten Lagenklassifikation. Wie der VDP selbst erklärt, gab diese Pyramide mit der „Großen Lage“ (vergleichbar mit einem Grand Cru) an der Spitze dem deutschen Wein eine verständliche und verlässliche Qualitätsstruktur zurück. Plötzlich war für den Verbraucher wieder klar ersichtlich, welcher Wein aus einer Spitzenlage stammte und welcher nicht.

Diese interne Qualitätsrevolution, gepaart mit einer neuen Generation von Winzern, die auf trockene, terroir-betonte Weine setzten, zahlte sich aus. Während der heimische Konsum zuletzt stagnierte, eroberte der deutsche Wein die Weltbühne zurück. Insbesondere die filigranen, eleganten Rieslinge mit ihrem vergleichsweise niedrigen Alkoholgehalt trafen den Nerv der Zeit und wurden zu Lieblingen der internationalen Sommeliers und Kritiker. Der Export entwickelte sich zu einem neuen, starken Erfolgsfaktor. Die Renaissance war vollbracht: Der deutsche Wein hatte seinen Ruf als Produzent von Weltklasse-Gewächsen zurückerobert und genießt heute wieder das Ansehen, das ihm gebührt.

Sie haben nun einen tiefen Einblick in die faszinierende Welt der deutschen Wein-Ikonen erhalten. Sie verstehen die Mechanismen von Knappheit, die Macht der Geschichte und die Logik des Terroirs. Der nächste Schritt ist, dieses Wissen anzuwenden. Beginnen Sie, die Auktionskataloge zu studieren, besuchen Sie eine Vorprobe und wagen Sie Ihr erstes Gebot. Betrachten Sie es als den Beginn einer Reise in eine der lohnendsten Anlageklassen und als Erwerb eines Stücks deutscher Kulturgeschichte.

Geschrieben von Friedrich von Plettenberg, Zertifizierter Weinhändler und Sachverständiger für Weinbewertung und -investition. 25 Jahre Erfahrung im Handel mit deutschen Spitzenweinen und Raritäten.