Veröffentlicht am Mai 17, 2024

Die alte Regel „Rotwein zu dunklem Fleisch, Weißwein zu hellem“ ist der größte Irrtum der deutschen Weinkultur, wenn es um unsere Hausmannskost geht.

  • Die Säure eines Weißweins ist oft der bessere Partner für fettes, deftiges Fleisch als die Tannine (Gerbstoffe) eines Rotweins.
  • Die Zubereitung (gebraten, geschmort) und vor allem die Sauce sind entscheidender für die Weinauswahl als die reine Fleischsorte.

Empfehlung: Denken Sie in „Aromenbrücken“. Suchen Sie nach geschmacklichen Gemeinsamkeiten zwischen Wein und Gericht, um eine perfekte Harmonie zu schaffen.

Stellen Sie sich ein perfektes Sonntagsessen vor: Ein fränkisches Schäufele mit krachender Kruste, ein Pfälzer Saumagen mit Sauerkraut oder ein badischer Sauerbraten, der auf der Zunge zergeht. Diese Ikonen der deutschen Küche wecken Heimatgefühle und verlangen nach einem Begleiter im Glas, der ihnen gewachsen ist. Doch genau hier beginnt für viele das große Rätselraten. Die meisten greifen zu dem, was sie gelernt haben: ein kräftiger Rotwein zum Braten. Doch oft ist das Ergebnis enttäuschend. Der Wein wirkt sperrig, das Essen schwerer und die erhoffte Harmonie bleibt aus.

Das Problem liegt in einer überholten Regel, die die Komplexität unserer deftigen Gerichte ignoriert. Es geht nicht schlicht um die Farbe des Fleisches. Viel wichtiger sind die Komponenten, die ein Gericht wirklich prägen: Fett, Säure und Röstaromen. Ein knuspriges Schäufele ist nicht nur Schweinefleisch; es ist Fett, es ist Salz, es sind die intensiven Aromen der Kruste. Ein Sauerbraten wird durch seine saure Beize definiert, nicht allein durch das Rindfleisch. Genau hier versagt die simple Farbregel und eine neue Denkweise ist gefragt.

Wenn die wahre Kunst nicht in alten Regeln liegt, worin dann? Die Antwort ist das Prinzip der „Aromenbrücke“ und der „Säure-Fett-Balance“. Statt stur nach Farben zu paaren, suchen wir nach geschmacklichen Verbindungen und Gegenspielern, die ein Gericht erst veredeln. Sie werden überrascht sein, wie oft ein kräftiger deutscher Weißwein der bessere Partner für einen deftigen Braten ist als sein rotes Pendant. Dieser Ansatz verwandelt die Weinauswahl von einer Pflichtübung in ein spannendes kulinarisches Spiel.

Dieser Leitfaden nimmt Sie mit auf eine Reise durch die deutsche Wirtshausküche. Wir brechen mit Mythen, erklären die wahren Prinzipien der Harmonie und zeigen Ihnen anhand konkreter Klassiker, wie Sie zielsicher den perfekten deutschen Wein für Ihr Lieblingsgericht finden. Machen Sie sich bereit, die Vielfalt deutscher Weine neu zu entdecken und Ihre Hausmannskost auf ein neues Level zu heben.

Um Ihnen den Weg zum perfekten Genuss zu ebnen, haben wir diesen Artikel in klare Themen unterteilt. Von der klassischen Spargelfrage bis zum großen Mythos „Rotwein zu Käse“ finden Sie hier praxiserprobte Ratschläge für jede Gelegenheit.

Silvaner oder Weißburgunder: Wer gewinnt das Duell zum Stangenspargel mit Hollandaise?

Sobald im Frühling der erste deutsche Spargel gestochen wird, stellt sich die Gretchenfrage der saisonalen Kulinarik: Welcher Wein passt dazu? Die klassische Antwort lautet fast immer: Silvaner. Und das aus gutem Grund. Der Silvaner, der laut der aktuellen Weinstatistik des Deutschen Weininstituts immerhin 4,3% der deutschen Rebfläche ausmacht, ist der geborene Partner für das edle Gemüse. Seine zurückhaltenden Aromen von grünen Äpfeln und Kräutern drängen sich nicht in den Vordergrund, sondern umspielen das zarte, leicht nussige Spargelaroma. Noch wichtiger ist seine moderate, gut eingebundene Säure, die nicht mit den leichten Bitternoten des Spargels kollidiert.

Doch das Duell ist nicht so einseitig, wie es scheint. Der Weißburgunder tritt als ernstzunehmender Konkurrent auf, insbesondere wenn die Sauce ins Spiel kommt. Serviert man den Spargel klassisch mit einer reichhaltigen, buttrigen Sauce Hollandaise, kann der Weißburgunder seine Stärken ausspielen. Mit seiner cremigeren Textur und seinen oft volleren Noten von gelben Früchten und Mandeln schafft er eine wunderbare Aromenbrücke zur fettreichen Sauce. Er geht eine cremigere Verbindung ein, wo der Silvaner eher als frischer Kontrapunkt agiert. Die Wahl hängt also stark von der Zubereitung ab: Puristischer Spargel mit zerlassener Butter schreit nach Silvaner, während die opulente Hollandaise-Variante oft mit einem Weißburgunder noch harmonischer wirkt.

Fallbeispiel: Frankens Terroir-Echo

Das Weingut Wirsching in Iphofen zeigt beispielhaft, wie Terroir die perfekte Paarung schafft. Ihr „K“ Silvaner wächst auf Keuperboden, dessen mineralische Struktur dem Wein ein festes Rückgrat verleiht. Dieser Charakter ist die ideale Antwort auf die erdigen Noten des Spargels und die Reichhaltigkeit einer guten Hollandaise. Der Wein, der 2025 Gold beim Golden Grape Award gewann, ist ein Paradebeispiel für eine terroir-geprägte Weinkultur, die Gericht und Wein aus derselben Region vereint.

Warum ein kräftiger Barrique-Wein das feine Wildaroma erschlagen kann

Wenn der Herbst die Wälder in bunte Farben taucht, beginnt die Zeit für edle Wildgerichte. Ein zarter Rehrücken, ein aromatisches Hirschgulasch – diese Delikatessen sind der Stolz der deutschen Herbstküche. Der instinktive Griff geht hier oft zu einem schweren, im Barrique-Fass ausgebauten Rotwein. Die Logik scheint klar: kräftiges Gericht, kräftiger Wein. Doch genau hier lauert eine Falle. Das feine, elegante und leicht süßliche Aroma von Reh- oder Hirschfleisch ist empfindlich. Ein Wein, der von dominanten Röst- und Vanillenoten aus dem kleinen Eichenfass (Barrique) geprägt ist, kann dieses zarte Eigenaroma regelrecht plattwalzen und überdecken.

Makroaufnahme von Eichenholz-Textur im Kontrast zu zartem Wildfleisch

Der Wein agiert dann nicht mehr als Partner, sondern als Solist, der dem Gericht die Show stiehlt. Ein viel besserer Begleiter ist oft ein gereifter deutscher Spätburgunder (Pinot Noir), der nicht im neuen Holz ausgebaut wurde. Seine Aromen von roten Früchten, Waldboden und einem Hauch Pilz schaffen eine natürliche Aromenbrücke zum Wild und seiner waldigen Herkunft. Die feinen Tannine und die elegante Säure geben dem Gericht Struktur, ohne es zu dominieren. Auch ein Lemberger oder ein Dornfelder, die mit Fingerspitzengefühl vinifiziert wurden, können hervorragende Partner sein, solange der Holzeinsatz dezent bleibt und die Frucht im Vordergrund steht.

Natürlich gibt es Ausnahmen, die die Regel bestätigen. Ein sehr kräftiges Wildschweingulasch mit intensiver Sauce kann durchaus einen modernen, kräftigeren Wein vertragen. Hierzu merkt die Sommeliervereinigung Deutschland in ihrem Leitfaden an:

Ein kräftiges Wildschweingulasch kann sehr wohl mit einem modern vinifizierten deutschen Lemberger aus dem Barrique harmonieren.

– Sommeliervereinigung Deutschland, Leitfaden für Wein- und Wildpaarungen

Warum Federweißer im Herbst Pflicht ist, aber Bauchschmerzen verursachen kann

Wenn die Blätter fallen und die Winzer mit der Lese beginnen, hat eine ganz besondere Spezialität ihren großen Auftritt: der Federweißer. Dieser noch gärende neue Wein, meist aus früh reifenden Rebsorten wie Bacchus oder Ortega hergestellt, ist der Inbegriff des deutschen Wein-Herbstes. Serviert zu einem deftigen Zwiebelkuchen oder einer Quiche, verkörpert er eine urige und saisonale Tradition. Sein Reiz liegt in der ungestümen Frische, der prickelnden Kohlensäure und der explosiven Fruchtaromatik, die von Hefe-Noten begleitet wird. Mit seinem geringen Alkoholgehalt und seiner Süße ist er ungemein süffig und zugänglich.

Doch der Genuss hat seine Tücken. Der Name „Federweißer“ leitet sich von den Hefepartikeln ab, die wie kleine Federchen im Glas tanzen. Und genau diese Hefe ist noch quicklebendig. Sie gärt im Glas, in der Flasche und eben auch im Magen weiter. Dieses Phänomen ist der Grund für die berüchtigten Bauchschmerzen, die ein übermäßiger Genuss verursachen kann. Die Hefe wandelt den restlichen Zucker in Alkohol und Kohlendioxid um, was zu einem unangenehmen Völlegefühl und Blähungen führen kann. Je süßer der Federweißer, desto mehr „Treibstoff“ hat die Hefe für ihre Arbeit im Magen. Trotz seiner Beliebtheit ist der Federweißer eine Nische; etwa 2-3% der deutschen Weinernte werden als neuer Wein verkauft.

Daher gilt die alte Winzerweisheit: Federweißer sollte man im Stehen trinken, damit er schneller durchrauscht. Auch wenn das medizinisch nicht haltbar ist, steckt ein wahrer Kern darin: Genießen Sie ihn in Maßen. Ein oder zwei Gläser zum Zwiebelkuchen sind ein Hochgenuss und ein fester Bestandteil unserer Weinkultur. Wer mehr trinkt, tut dies auf eigene Gefahr. Aber wer kann diesem trüben, süßen und prickelnden Vorboten des neuen Jahrgangs schon widerstehen?

Welcher deutsche Weißwein hält den Röstaromen vom Grill stand?

Sommerzeit ist Grillzeit. Ob eine Thüringer Rostbratwurst, ein mariniertes Nackensteak oder gegrillter Halloumi – alles, was vom Rost kommt, ist von intensiven Röstaromen und oft auch von Rauch geprägt. Hier kapitulieren viele leichte, filigrane Weine. Ein zarter Müller-Thurgau würde neben einem rauchigen Steak schlichtweg untergehen. Die Herausforderung ist, einen Wein zu finden, der genug Rückgrat und Charakter hat, um gegen diese dominanten Aromen zu bestehen, ohne selbst plump zu wirken. Und wieder ist es oft der deutsche Weißwein, der die überraschend beste Figur macht.

Ein trockener Riesling mit seiner stahligen Säure und Mineralität ist ein genialer Partner, besonders zu fettiger Bratwurst oder gegrilltem Fisch. Die Säure durchschneidet das Fett, reinigt den Gaumen und schafft eine belebende Frische. Eine weitere, modernere Option ist der Orange Wine, also ein maischevergorener Weißwein, oft aus Silvaner- oder Grauburgundertrauben. Durch den längeren Kontakt mit den Beerenschalen hat er mehr Tannine und eine robustere Struktur, die wunderbar mit den Röstaromen harmoniert. Auch ein im Holzfass ausgebauter Grauburgunder kann eine fantastische Aromenbrücke bilden: Seine eigenen leichten Rauchnoten aus dem Fass verbinden sich perfekt mit dem Grillgut.

Gegrilltes Fleisch und Weißweingläser in atmosphärischer Gartenszene

Die folgende Tabelle bietet einen schnellen Überblick, welcher deutsche Weißwein zu welchem Grillgut eine gute Figur macht. Sie dient als Leitfaden für Ihren nächsten Grillabend, wie eine aktuelle Analyse vergleichbarer Paarungen zeigt.

Deutsche Weißweine für Grillgerichte im Vergleich
Weintyp Charakteristik Beste Paarung Serviertemperatur
Riesling trocken (Mosel) Hohe Säure, mineralisch Bratwurst, fetter Fisch 8-10°C
Orange Wine (Silvaner) Tanninstruktur, robust Gegrilltes Gemüse, Schwein 10-12°C
Grauburgunder Barrique Fülle, Rauchnoten Geflügel, Lachs 10-12°C
Sauvignon Blanc Kräuteraromen, frisch Kräutermarinade 8-10°C

Warum Rotwein zu Käse oft ein Irrtum ist und Weißwein besser harmoniert

Es ist das klassische Bild des Genusses: ein Glas kräftiger Rotwein und eine Platte mit reifem Käse. Doch was in der Vorstellung so perfekt harmoniert, ist in der Realität oft eine Enttäuschung. Der Mythos „Rotwein zu Käse“ ist einer der hartnäckigsten Irrtümer in der Weinwelt. Das Problem sind die Tannine (Gerbstoffe) im Rotwein. Wie die Deutsche Sommelier Union in ihrem Handbuch erklärt, führen diese zu einer unglücklichen chemischen Reaktion.

Die Tannine im Rotwein reagieren mit dem Milcheiweiß und Fett des Käses, was oft zu einem metallischen, bitteren Geschmack führt.

– Deutsche Sommelier Union, Handbuch der Käse-Wein-Harmonie

Anstatt einer Harmonie entsteht ein geschmacklicher Konflikt auf der Zunge. Dies wurde eindrucksvoll durch eine Verkostung mit 50 Sommeliers bestätigt, die zeigte, dass ein würziger Allgäuer Bergkäse weitaus besser mit einem trockenen Riesling harmoniert als mit einem Rotwein. Die Lösung für dieses Dilemma ist in den meisten Fällen: Weißwein! Die Säure eines Weißweins agiert als perfekter Gegenspieler zum Fett des Käses. Sie umspielt es, lockert die Textur auf und erfrischt den Gaumen für den nächsten Bissen. Besonders Weine mit einer gewissen Restsüße sind oft geniale Partner für salzige oder sogar scharfe Käsesorten, da die Süße die Schärfe und das Salz ausbalanciert. Eine gereifte Riesling Spätlese zu einem Harzer Roller ist eine Offenbarung.

Das bedeutet nicht, dass Rotwein zu Käse komplett verboten ist. Die Regel lautet: je milder und weniger tanninreich der Rotwein und je milder und weniger fett der Käse, desto eher funktioniert es. Ein leichter Trollinger zu einem jungen Schnittkäse kann passen. Aber für die große Bühne der Aromen, von Blauschimmelkäse bis zum reifen Bergkäse, ist fast immer ein Weißwein der bessere und sicherere Partner.

Ihr Plan für die perfekte deutsche Käse-Wein-Harmonie

  1. Allgäuer Bergkäse mit kräftigem Riesling vom Kalkstein paaren
  2. Obatzda mit fränkischem Silvaner Kabinett trocken kombinieren
  3. Harzer Roller mit gereifter Riesling Spätlese servieren
  4. Cambozola mit edelsüßer Auslese oder Beerenauslese genießen
  5. Für Rotwein-Liebhaber: Leichten Trollinger zu mildem Schnittkäse wählen

Wie sich die milde Säure des Silvaners positiv auf empfindliche Mägen auswirkt

Viele Weinliebhaber kennen das Problem: Nach ein oder zwei Gläsern Weißwein meldet sich der Magen mit einem unangenehmen Gefühl. Oft ist eine hohe, spitze Säure der Übeltäter. Insbesondere Riesling, der König der deutschen Rebsorten, kann mit seiner markanten Säurestruktur für empfindliche Menschen eine Herausforderung sein. Hier kommt eine oft unterschätzte Rebsorte ins Spiel, die sich durch ihre besondere Bekömmlichkeit auszeichnet: der Silvaner. Er ist der sanfte Riese unter den deutschen Weißweinen.

Der Hauptgrund für seine Magenfreundlichkeit liegt in der Zusammensetzung und der Menge seiner Säure. Eine Analyse zeigt, dass der Säuregehalt bei Silvaner oft zwischen 5-6 g/l liegt, während Riesling häufig Werte von 7-9 g/l erreicht. Dieser rein quantitative Unterschied ist bereits deutlich spürbar. Doch es kommt noch eine qualitative Komponente hinzu: Silvaner besitzt tendenziell einen höheren Anteil an weicherer Apfelsäure im Vergleich zur aggressiveren, spitzeren Weinsäure, die im Riesling dominiert. Dies verleiht dem Silvaner eine rundere und harmonischere Anmutung am Gaumen und macht ihn deutlich bekömmlicher.

Diese Eigenschaft macht den Silvaner nicht nur zu einem idealen Essensbegleiter, der Gerichte nicht mit Säure dominiert, sondern auch zu einem perfekten „Solisten“ für den unbeschwerten Genuss. Menschen, die bei anderen Weißweinen schnell Sodbrennen bekommen, finden im Silvaner oft ihren Frieden. Besonders Silvaner aus wärmeren Lagen in Rheinhessen oder der Pfalz sind für ihre Milde bekannt. Aber auch in seiner Heimat Franken, wo er oft mineralischer und strukturierter ausfällt, bleibt er ein Wein von beeindruckender Balance und Zugänglichkeit. Er ist der Beweis, dass Charakter und Bekömmlichkeit keine Gegensätze sein müssen.

Deutscher Spätburgunder vs. Burgunder: Schmecken Sie den Unterschied im Blindtest?

Lange Zeit galt der Spätburgunder, die deutsche Variante des Pinot Noir, als kleiner Bruder seines berühmten Verwandten aus dem Burgund. Deutsche Spätburgunder waren oft heller, säurebetonter und galten als weniger komplex. Doch diese Zeiten sind endgültig vorbei. Dank des Klimawandels und einer neuen Generation von Winzern, die ihr Handwerk perfektioniert haben, spielen die besten deutschen Spätburgunder heute in derselben Liga wie gute Burgunder – und gewinnen regelmäßig internationale Preise.

Eine internationale Blindverkostung im Jahr 2024 hat gezeigt, dass Spitzen-Spätburgunder aus Baden und von der Ahr von Experten nicht mehr von gleichwertigen Weinen aus Burgund zu unterscheiden waren. Der Klimawandel ermöglicht den deutschen Winzern heute eine physiologische Reife der Trauben, die früher nur in den wärmeren Lagen Burgunds möglich war. Das Ergebnis sind Weine mit mehr Dichte, feineren Tanninen und einer beeindruckenden aromatischen Tiefe. Doch es gibt immer noch stilistische Unterschiede. Deutsche Spätburgunder zeigen oft eine klarere, präzisere Frucht von Sauerkirsche und Himbeere, während Burgunder häufiger erdige, unterholzige und pilzige Noten aufweisen.

Der beste Weg, diese Unterschiede und Gemeinsamkeiten selbst zu entdecken, ist ein Blindtest zu Hause. Kaufen Sie je eine Flasche Spätburgunder aus Baden und von der Ahr sowie einen Burgunder aus einer ähnlichen Preisklasse (z.B. Ortswein-Niveau). Temperieren Sie alle Weine auf 16-18°C, schenken Sie sie in identische Gläser und versuchen Sie, die Weine allein anhand von Farbe, Geruch und Geschmack zuzuordnen. Achten Sie auf die Fruchtaromatik (eher rote Kirsche oder dunkle Erdbeere?), die Erdigkeit und den spürbaren Holzeinsatz. Es ist eine faszinierende Übung, die Ihnen zeigen wird, welch Weltklasseniveau deutscher Spätburgunder erreicht hat.

Das Wichtigste in Kürze

  • Vergessen Sie starre Regeln: Die Harmonie zwischen Wein und deftiger Hausmannskost entsteht durch das Zusammenspiel von Fett, Säure und Röstaromen, nicht durch die Farbe.
  • Die Zubereitung und vor allem die Sauce sind entscheidender für die Weinauswahl als die reine Fleischsorte. Eine fettreiche Sauce verlangt nach einem säurestarken Partner.
  • Haben Sie Mut zum Weißwein: Ein kräftiger, strukturierter deutscher Weißwein (z.B. Grauburgunder, Riesling) ist oft der überlegene Begleiter zu deftigen Braten und Grillgut.

Billiger Fusel oder guter Tropfen: Welchen Wein sollten Sie in die Sauce kippen?

Jede gute Bratensauce, jedes Coq au Riesling und jedes feine Ragout lebt von einem Schuss Wein, der Tiefe und Komplexität verleiht. Doch hier stellt sich eine oft vernachlässigte Frage: Welchen Wein nimmt man zum Kochen? Viele greifen aus Sparsamkeit zum billigsten „Kochwein“ aus dem untersten Supermarktregal. Das ist der größte Fehler, den man in der Küche machen kann. Der Sternekoch Tim Raue bringt es auf den Punkt:

Koche nur mit Wein, den du auch trinken würdest – durch das Einkochen werden alle Aromen, gute wie schlechte, konzentriert.

– Tim Raue, Deutsche Sterneköche über Kochwein

Ein billiger Wein mit Fehlnoten (Essigstich, muffige Aromen) wird diese Fehler beim Reduzieren der Sauce nicht verlieren – er wird sie verstärken und konzentrieren. Das Ergebnis ist eine Sauce, die unangenehm sauer, bitter oder plump schmeckt und das ganze Gericht ruiniert. Die Regel ist einfach: Der Wein für die Sauce muss sauber, fehlerfrei und von einer Qualität sein, die man auch gerne im Glas hätte. Das bedeutet nicht, dass Sie eine teure Auslese in den Topf kippen müssen. Ein guter, solider Guts- oder Ortswein für 5 bis 10 Euro ist die perfekte Wahl.

Idealerweise verwendet man sogar denselben Wein zum Kochen, den man später auch zum Essen trinkt. Das schafft die ultimative Aromenbrücke und sorgt für eine perfekte Harmonie. Wenn das nicht möglich ist, orientieren Sie sich an folgenden Faustregeln:

  • Helle Saucen (z.B. Sahnesaucen): Ein trockener Weißburgunder oder Silvaner sorgt für eine cremige Textur.
  • Tomatensaucen: Ein leichter, säurebetonter Rotwein wie Trollinger oder Portugieser harmoniert mit der Säure der Tomaten.
  • Dunkle Bratensaucen (Rind, Lamm): Ein kräftiger, aber nicht zu tanninreicher Lemberger oder Dornfelder gibt Struktur und Tiefe.
  • Geflügel (z.B. Coq au Riesling): Hier ist der Name Programm. Ein trockener Riesling mit seiner typischen Säure ist unverzichtbar.

Die Qualität der Zutaten ist das Fundament jeder guten Küche. Diese Philosophie auch auf den Kochwein anzuwenden, ist der entscheidende Schritt vom Hobbykoch zum wahren Genießer.

Jetzt sind Sie dran: Entkorken Sie eine Flasche guten deutschen Wein, stellen Sie sich in die Küche und schaffen Sie Ihre eigene perfekte Aromenbrücke zu Ihrem Lieblingsgericht. Sie haben nun das Rüstzeug, um die alten, starren Regeln hinter sich zu lassen und die Welt der Wein-Speise-Paarung mit Neugier und Selbstvertrauen zu erkunden. Prost und guten Appetit!

Häufig gestellte Fragen zu Wein und deutscher Küche

Warum verursacht Federweißer manchmal Bauchschmerzen?

Die aktive Hefe (Saccharomyces cerevisiae) im Federweißer gärt im Magen weiter und produziert dabei Kohlendioxid (CO2). Je süßer der Wein ist, desto mehr Zucker steht der Hefe als Nahrung zur Verfügung und desto stärker ist dieser Effekt, was zu Völlegefühl und Blähungen führen kann.

Wie erkenne ich frische Qualität beim Federweißer?

Ein frischer Federweißer muss „atmen“ können. Der Deckel der Flasche sollte daher nur lose aufgeschraubt sein, um den durch die Gärung entstehenden Druck entweichen zu lassen. Die Farbe sollte milchig-trüb sein und der Geschmack eine ausgewogene Balance aus Süße und erfrischender Säure bieten.

Was ist der Unterschied zwischen Federweißer und Federroter?

Der Unterschied liegt in den verwendeten Trauben. Federweißer wird aus weißen Trauben hergestellt, während Federroter aus roten Trauben wie Dornfelder oder Regent gekeltert wird. Dadurch hat Federroter eine rötliche Farbe und in der Regel etwas mehr Gerbstoffe, was sich auch im Geschmack und in der Wirkung auf den Magen unterscheiden kann.

Was macht Silvaner bekömmlicher als andere Weißweine?

Silvaner ist oft bekömmlicher, da er von Natur aus eine moderatere Säurestruktur besitzt. Er hat häufig einen höheren Anteil an weicherer Apfelsäure im Vergleich zur spitzeren Weinsäure, die beispielsweise im Riesling stärker vertreten ist. Dies führt zu einem runderen und sanfteren Geschmackseindruck.

Welche deutschen Rebsorten sind für säureempfindliche Menschen geeignet?

Neben dem Silvaner gibt es weitere Rebsorten, die für ihre milde Säure bekannt sind. Dazu gehören insbesondere Müller-Thurgau (auch Rivaner genannt), der Gutedel aus dem Markgräflerland in Baden sowie die aromatische Rebsorte Bacchus.

Geschrieben von Markus Eder, IHK-geprüfter Sommelier und Gastronomiekritiker mit Stationen in der Sternegastronomie. Experte für Food-Pairing, Glaskultur und Servicetechniken.