
Ihre Wohnung ist wahrscheinlich der größte Feind Ihres Weins, aber mit cleverem Raum-Hacking können Sie ihn dennoch perfekt schützen.
- Wärme und Licht (z.B. in der Küche) beschleunigen die Alterung drastisch und zerstören Aromen.
- Vibrationen und Trockenheit (z.B. im Kühlschrank) sind schleichende Gefahren für die Weinqualität.
Empfehlung: Identifizieren Sie den kühlsten, dunkelsten und ruhigsten Ort Ihrer Wohnung – oft ist dies der Kleiderschrank im Schlafzimmer – und machen Sie ihn zur Überlebenszone für Ihre Weine.
Die gute Flasche Wein, aufgespart für einen besonderen Anlass, thront stolz auf dem Küchenschrank. Ein klassisches Bild in vielen deutschen Mietwohnungen – und leider das sichere Todesurteil für jeden guten Tropfen. Die gängigen Ratschläge zur Weinlagerung klingen oft nach einer Wissenschaft für sich und setzen fast immer das Unmögliche voraus: einen kühlen, dunklen Naturkeller. Die Realität für die meisten von uns sieht jedoch anders aus: begrenzer Platz, Temperaturschwankungen und keine dedizierten Lagermöglichkeiten.
Viele resignieren daher und akzeptieren den Kühlschrank als Notlösung oder lassen die Flaschen einfach im Wohnzimmerregal stehen. Man hört von der idealen Temperatur und Luftfeuchtigkeit, aber was bedeutet das konkret, wenn der einzige verfügbare Platz zwischen Zwiebelkorb und Heizungsrohr liegt? Die Wahrheit ist, dass Sie keinen perfekten Weinkeller brauchen, um Ihre Weine zu schützen. Was Sie brauchen, ist eine neue Perspektive: Betrachten Sie Ihre Wohnung nicht als Defizit, sondern als ein Spielfeld für strategische Optimierung.
Aber wenn die üblichen Lösungen nicht funktionieren, wo liegt dann der Schlüssel? Die Antwort ist nicht, einen teuren Weinklimaschrank als einzige Option zu sehen. Die wahre Lösung liegt darin, die vier Hauptfeinde des Weins – Wärme, Licht, Vibration und Gerüche – zu verstehen und sie mit cleverem „Raum-Hacking“ systematisch auszutricksen. Es geht darum, die am wenigsten schlechten Orte in Ihrer Wohnung zu identifizieren und sie in erstaunlich gute Überlebenszonen für Ihre Weine zu verwandeln.
Dieser Artikel ist Ihr pragmatischer Leitfaden. Wir werden die tödlichen Fallen in Ihrer Wohnung entlarven, Ihnen zeigen, wie Sie die sichersten Nischen finden und sogar technische Lösungen für kleine Küchen realistisch bewerten. Machen Sie sich bereit, Ihre Wohnung mit den Augen eines Wein-Optimierers zu sehen.
Um Ihnen eine klare Orientierung zu geben, führt dieser Leitfaden Sie systematisch durch die größten Gefahren und die praktischsten Lösungen. Der folgende Überblick zeigt Ihnen, wie Sie die versteckten Potenziale Ihrer Wohnung für eine optimale Weinlagerung entdecken können.
Inhaltsverzeichnis: Weinlagerung in der Wohnung meistern
- Warum der Platz auf dem Küchenschrank der sichere Tod für jeden Wein ist
- Warum Braunglas besser schützt als Grünglas und warum UV-Licht Wein tötet
- Warum der Kühlschrank aufgrund der Vibration kein dauerhafter Lagerort ist
- Wie Heizöl- oder Zwiebelgeruch durch den Korken in den Wein wandert
- Schlafzimmer oder Kleiderschrank: Wo in der Wohnung ist der Wein am sichersten?
- Wie Sie erkennen, dass ein Wein seinen Zenit überschritten hat
- Warum hält der Schlauchwein nach Anbruch länger als die Flasche?
- Einbau oder freistehend: Welcher Weinklimaschrank passt in eine 10m² Küche?
Warum der Platz auf dem Küchenschrank der sichere Tod für jeden Wein ist
Die Küche ist das pulsierende Herz der Wohnung, aber für Wein ist sie eine Folterkammer. Der Platz auf dem Küchenschrank ist der denkbar schlechteste Ort zur Lagerung, und der Hauptgrund dafür ist ein unerbittlicher Feind: Wärme. Beim Kochen und Backen steigt heiße Luft nach oben und sammelt sich direkt unter der Decke. Dort können schnell Temperaturen herrschen, die den Wein buchstäblich kochen. Experten bestätigen, dass bei über 25°C ein Wein erheblich an Geschmack und Aroma verliert. Dieser Prozess, auch als Madeirisierung bekannt, beschleunigt die Reifung unkontrolliert und verwandelt einen komplexen Wein in eine müde, flache Flüssigkeit.
Doch es ist nicht nur die absolute Hitze, die schadet, sondern vor allem die ständigen Temperaturschwankungen. Der Wein „atmet“ durch den Korken. Wenn die Temperatur steigt, dehnt sich die Flüssigkeit in der Flasche aus und drückt Luft hinaus. Kühlt es wieder ab, zieht sie sich zusammen und saugt neuen Sauerstoff hinein. Dieser ständige Austausch führt zu einer beschleunigten Oxidation, die die frischen, fruchtigen Noten zerstört und dem Wein einen faden, nussigen Geschmack verleiht. In der Küche können diese Schwankungen zwischen dem kühlen Morgen und der Hitze beim Abendessen-Kochen extrem sein.
Um das Ausmaß dieses Problems in Ihrer eigenen Wohnung zu verstehen, müssen Sie kein Experte sein. Führen Sie ein einfaches „Temperatur-Mapping“ durch, um die ungeeigneten „heißen Zonen“ und potenziell kühlere „Überlebenszonen“ zu identifizieren. Ein einfaches Experiment mit zwei Thermometern kann Ihnen bereits nach 24 Stunden schockierende Wahrheiten über Ihre Wohnung offenbaren und Ihnen zeigen, warum die Küche tabu ist.
Ihr 4-Punkte-Test zur Temperaturkartierung Ihrer Wohnung
- Messpunkte definieren: Platzieren Sie ein Thermometer auf dem Küchenschrank und ein zweites an einem potenziell kühleren Ort, wie zum Beispiel im untersten Fach Ihres Kleiderschranks.
- Daten sammeln: Notieren Sie die Temperaturen an beiden Orten alle 6 Stunden über einen Zeitraum von 24 Stunden (z.B. morgens, mittags, abends, nachts).
- Schwankungen analysieren: Vergleichen Sie nicht nur die Höchsttemperaturen, sondern vor allem die Differenz zwischen dem höchsten und niedrigsten Wert an jedem Ort. Die Küche zeigt oft Variationen von 10-15°C.
- Schlussfolgerung ziehen: Identifizieren Sie den Ort mit der niedrigsten Durchschnittstemperatur und den geringsten Schwankungen. Dies ist Ihre primäre „Überlebenszone“.
Warum Braunglas besser schützt als Grünglas und warum UV-Licht Wein tötet
Neben der Wärme ist Licht, insbesondere unsichtbares UV-Licht, der zweite große Feind des Weins. Lässt man eine Weinflasche im direkten Sonnenlicht oder sogar unter intensiver künstlicher Beleuchtung stehen, löst dies eine chemische Reaktion aus, die als „Lichtgeschmack“ bekannt ist. Dabei werden schwefelhaltige Verbindungen im Wein aufgespalten, was zu unangenehmen Aromen führt, die an gekochten Kohl, nassen Karton oder sogar verbranntes Gummi erinnern. Dieser Prozess kann bereits innerhalb weniger Stunden einsetzen und den Wein unwiderruflich ruinieren.
Die Farbe der Flasche spielt dabei eine entscheidende Rolle als eingebauter Schutzschild. Nicht alle Gläser sind gleich wirksam. Die Wahl der Flaschenfarbe durch den Winzer ist oft eine bewusste Entscheidung, die auf die Lagerfähigkeit des Weins abzielt. Dunkles Glas blockiert einen Großteil der schädlichen UV-Strahlen und schützt den Inhalt effektiv.
Dieser visuelle Vergleich verdeutlicht den Unterschied im Schutzfaktor zwischen den verschiedenen Glasfarben.

Wie die Abbildung zeigt, bietet Braunglas den besten Schutz. Es filtert fast das gesamte UV-Spektrum und einen Großteil des sichtbaren Lichts. Grünes Glas, der Standard für viele Weiß- und Rotweine, bietet einen moderaten Schutz. Klarglas hingegen ist praktisch schutzlos und sollte niemals dem Licht ausgesetzt werden. Dies erklärt, warum empfindliche Weine wie Riesling aus Deutschland oft in braunen oder dunkelgrünen Flaschen abgefüllt werden, während Roséweine, die für den schnellen Konsum gedacht sind, oft in verführerischen, aber gefährlichen Klarglasflaschen präsentiert werden. Für die Lagerung zu Hause bedeutet das: Je dunkler die Flasche, desto besser. Aber selbst die dunkelste Flasche ist kein Freibrief für einen Platz im sonnendurchfluteten Wohnzimmerregal. Absolute Dunkelheit bleibt die oberste Regel.
Warum der Kühlschrank aufgrund der Vibration kein dauerhafter Lagerort ist
Wenn die Küche zu warm und das Wohnzimmer zu hell ist, scheint der Kühlschrank die logische Alternative zu sein: Er ist dunkel und konstant kühl. Für eine bereits geöffnete Flasche ist er tatsächlich der beste Ort, um die Oxidation für einige Tage zu verlangsamen. Die Forschungsanstalt in Geisenheim hat dies bestätigt und empfiehlt den Kühlschrank für die kurzfristige Aufbewahrung angebrochener Weine. Doch für die langfristige Lagerung verschlossener Flaschen entpuppt er sich als trügerische Lösung mit zwei unsichtbaren Feinden: Vibration und Trockenheit.
Der Kompressor eines jeden Kühlschranks erzeugt feine, aber konstante Vibrationen. Für Lebensmittel ist das irrelevant, doch für Wein ist es wie ein ständiges, leises Erdbeben. Diese Vibrationen stören den langsamen Reifeprozess, indem sie das Depot – die feinen Schwebstoffe, die sich über die Zeit am Flaschenboden absetzen und zur Komplexität des Weins beitragen – permanent aufwirbeln. Dies kann die Entwicklung der Aromen negativ beeinflussen und den Wein „müde“ machen. Es ist ein schleichender Prozess, der den Zenit des Weins vorzeitig herbeiführt.
Der zweite, noch gravierendere Feind ist die extrem niedrige Luftfeuchtigkeit. Moderne „No-Frost“-Kühlschränke sind darauf ausgelegt, Feuchtigkeit aktiv zu entziehen, um Eisbildung zu verhindern. Während für die Weinlagerung eine Luftfeuchtigkeit von oft unter 30 % herrscht. Für einen Naturkorken ist diese trockene Umgebung katastrophal. Der Korken trocknet von außen aus, wird spröde und verliert seine Elastizität. Er schließt nicht mehr dicht ab, Sauerstoff kann in die Flasche eindringen und der Wein oxidiert. Der Kühlschrank ist also keine sichere Festung, sondern eher eine trockene Wüste, die den Wächter der Flasche – den Korken – langsam zerstört.
Wie Heizöl- oder Zwiebelgeruch durch den Korken in den Wein wandert
Der vierte heimtückische Feind des Weins ist unsichtbar und oft unterschätzt: Fremdgerüche. Ein Naturkorken ist kein hermetischer Verschluss, sondern ein poröses Naturmaterial, das dem Wein ein minimales Atmen erlaubt – ein wichtiger Teil des Reifeprozesses. Diese Porosität ist jedoch auch ein Einfallstor für starke Umgebungsgerüche. Lagert eine Weinflasche neben stark riechenden Substanzen wie Zwiebeln, Knoblauch, Reinigungsmitteln, Farben oder gar in einem Keller mit Heizölgeruch, können diese flüchtigen Aromamoleküle über die Zeit durch den Korken in den Wein diffundieren und dessen feines Bouquet unwiderruflich kontaminieren.
Dieses Phänomen, bekannt als Kork-Kontamination durch die Umgebung, ist zwar seltener als der klassische „Korkschmecker“ (TCA), aber genauso fatal für den Genuss. Experten warnen eindringlich vor dieser Gefahr, wie die Weinlagerungsexperten von Hoover in ihrem Ratgeber betonen:
Gerüche können den Wein beeinträchtigen, die durch den Korken in den Wein eindringen könnten.
– Hoover Weinexperten, Hoover Weinlagerungsratgeber
Das Problem ist besonders relevant für Wohnungsbewohner, die auf einen Gemeinschaftskeller oder eine Abstellkammer ausweichen. Diese Räume werden oft auch zur Lagerung von Haushaltschemikalien, alten Möbeln oder Lebensmitteln genutzt. Ein neutraler Geruch der Umgebung ist daher genauso wichtig wie Dunkelheit und eine stabile Temperatur. Bevor Sie also einen potenziellen Lagerort auswählen, machen Sie den Geruchstest: Wenn der Raum muffig, chemisch oder nach Essen riecht, ist er für Wein ungeeignet. Ihr Wein würde diese Aromen mit der Zeit annehmen und sein eigenes Profil verlieren.
Ihr Audit-Plan: Den besten Lagerort auf Geruchsneutralität prüfen
- Potenzielle Orte identifizieren: Listen Sie alle kühlen, dunklen Orte auf (Abstellkammer, Kellerabteil, ungenutzter Schrank).
- Geruchsquellen inventarisieren: Prüfen Sie jeden Ort auf stark riechende Gegenstände: Farben, Lösungsmittel, Reinigungsmittel, alte Textilien, Lebensmittel wie Kartoffeln oder Zwiebeln.
- Umgebungskontrolle durchführen: Riecht der Raum selbst neutral? Gibt es in der Nähe (z.B. im Gemeinschaftskeller) Quellen wie eine Ölheizung oder einen Müllraum?
- Schutzmaßnahmen ergreifen: Wenn der Ort ansonsten ideal ist, schützen Sie die Weine aktiv. Versiegelte Plastikboxen aus dem Baumarkt bieten eine effektive Barriere gegen Gerüche.
- Regelmäßige Überprüfung: Kontrollieren Sie den Lagerort alle paar Monate auf neue Geruchsquellen. Eine gute Belüftung hilft, die Luft neutral zu halten.
Schlafzimmer oder Kleiderschrank: Wo in der Wohnung ist der Wein am sichersten?
Nachdem wir die Todeszonen – Küche, sonniges Wohnzimmer, vibrierender Kühlschrank und riechender Keller – identifiziert haben, stellt sich die entscheidende Frage: Wo in einer typischen deutschen Mietwohnung ist der Wein am sichersten? Die Antwort liegt oft an überraschenden Orten. Die Suche nach der besten „Überlebenszone“ ist ein Prozess der Eliminierung. Wir suchen den Ort, der am ehesten die Kriterien erfüllt: kühl, dunkel, vibrationsfrei und geruchsneutral. In den meisten Wohnungen ist dies das Schlafzimmer, da es aus Komfortgründen meist der am wenigsten beheizte Raum ist.
Innerhalb des Schlafzimmers gibt es einen Ort, der sich als nahezu idealer Kompromiss erweist: der Kleiderschrank. Er bietet perfekte Dunkelheit, ist vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt, und die Kleidung darin wirkt als natürlicher Isolator gegen Temperaturschwankungen und dämpft Vibrationen. Legt man die Weinflaschen in den untersten Bereich, profitiert man zusätzlich von der physikalischen Gegebenheit, dass kühle Luft nach unten sinkt.
Die folgende Rangliste, basierend auf einer Analyse typischer Wohnungsbedingungen, bietet eine klare Orientierung für die Wahl des besten Lagerraums:
| Rang | Raum | Temperatur | Vorteile | Nachteile |
|---|---|---|---|---|
| 1 | Schlafzimmer | 16-18°C | Konstant kühl, dunkel | Platzmangel möglich |
| 2 | Abstellkammer | 15-20°C | Dunkel, ungestört | Oft schlecht belüftet |
| 3 | Flur | 18-20°C | Relativ konstant | Temperaturschwankungen |
| 4 | Keller | 10-15°C | Kühl | Oft zu feucht, Gerüche |
| 5 | Wohnzimmer | 20-23°C | Zugänglich | Zu warm, Licht |
| 6 | Küche | 18-28°C | – | Extreme Schwankungen |
Wie die Tabelle von Experten für Weinlagerung ohne Keller zeigt, ist das Schlafzimmer der klare Sieger. Eine kleine, ungenutzte Ecke im Kleiderschrank, vielleicht mit einer Styroporplatte vom Baumarkt als zusätzliche Isolierung, kann so zu einem erstaunlich effektiven Mini-Weinkeller werden.

Diese pragmatische Lösung mag nicht den Charme eines Gewölbekellers haben, aber sie ist eine hochwirksame Methode, um die Hauptfeinde des Weins in einer normalen Wohnung in Schach zu halten und das Reifepotenzial Ihrer Flaschen zu bewahren.
Wie Sie erkennen, dass ein Wein seinen Zenit überschritten hat
Selbst bei bester Lagerung hat jeder Wein eine begrenzte Lebensdauer. Zu wissen, wann ein Wein „drüber“ ist, bewahrt vor Enttäuschungen. Es gibt klare Anzeichen, die Ihnen schon vor dem ersten Schluck verraten, ob ein Wein seinen Höhepunkt überschritten hat. Diese Prüfung erfolgt in drei Schritten: Sehen, Riechen und Schmecken. Jeder Schritt kann Hinweise auf eine unsachgemäße Lagerung oder einfach auf das Ende des natürlichen Lebenszyklus eines Weins geben.
Wie erkenne ich visuell einen überlagerten Wein?
Der erste Hinweis ist die Farbe. Halten Sie das Glas gegen einen weißen Hintergrund. Ein Weißwein, der einen deutlichen bräunlichen oder bernsteinfarbenen Schimmer zeigt, ist wahrscheinlich oxidiert. Bei einem Rotwein ist das Zeichen der Überalterung eine verblasste, bräunlich-orange Farbe am Rand, die an Ziegelstein erinnert. Während junge Rotweine oft einen violetten Rand haben, deutet der braune Ton darauf hin, dass die Farbpigmente zerfallen sind.
Was ist der Unterschied zwischen Oxidation und Madeirisierung im Geruch?
Der Geruch ist der verräterischste Indikator. Eine fortgeschrittene Oxidation riecht oft dumpf, leicht nach Sherry, Liebstöckel oder nassen Nüssen. Die frischen Fruchtaromen sind komplett verschwunden. Die Madeirisierung ist eine Folge von Wärmeschäden und riecht anders: Der Wein duftet nach gekochten oder eingemachten Früchten, Karamell oder sogar verbranntem Zucker. Beide Gerüche sind klare Signale, dass der Wein seinen Zenit weit überschritten hat.
Kann ich einen überlagerten Wein noch verwenden?
Ja, werfen Sie ihn nicht sofort weg! Auch wenn er pur keinen Genuss mehr bietet, ist er oft noch in der Küche nützlich. Ein leicht oxidierter Wein, der noch nicht komplett umgekippt ist, eignet sich gut für eine Weinschorle. Stärker oxidierte oder madeirisierte Weine sind eine ausgezeichnete Basis für dunkle Saucen, zum Beispiel für ein Schmorgericht wie Bœuf Bourguignon. Der Kochprozess konzentriert die verbliebenen Aromen und der Alkohol verkocht, sodass der Wein der Sauce eine schöne Tiefe verleiht.
Warum hält der Schlauchwein nach Anbruch länger als die Flasche?
Für den alltäglichen Weingenuss, bei dem eine ganze 0,75-Liter-Flasche oft zu viel ist, stellt sich eine pragmatische Frage: Wie kann man Wein nach dem Öffnen möglichst lange frisch halten? Hier bietet eine oft belächelte Verpackungsform eine technologisch überlegene Lösung: die Bag-in-Box (BiB), umgangssprachlich auch „Schlauchwein“ genannt. Während eine geöffnete Flasche selbst im Kühlschrank nur wenige Tage frisch bleibt, kann ein angebrochener BiB-Wein über Wochen genießbar sein.
Der Grund dafür ist ein cleveres Design, das den Hauptfeind von geöffnetem Wein – Sauerstoff – fast vollständig ausschaltet. Das Herzstück des Systems ist ein luftdichter Innenbeutel, der mit einem Zapfhahn versehen ist. Wenn Wein entnommen wird, drückt der äußere Karton den flexiblen Beutel zusammen. Es entsteht kein Leerraum (Headspace), in den Luft eindringen und den verbleibenden Wein oxidieren könnte. Bei einer Flasche hingegen füllt sich der leere Raum bei jeder Entnahme mit frischem Sauerstoff, der den Wein schnell altern lässt.
Fallbeispiel: Haltbarkeit von Bag-in-Box nach Anbruch
Eine Analyse des Bag-in-Box-Systems zeigt eindrücklich dessen Vorteil. Das Prinzip verhindert den Kontakt mit Sauerstoff, da sich der Beutel beim Zapfen zusammenzieht. Dadurch kann die Haltbarkeit eines angebrochenen Weins von den üblichen 3-4 Tagen bei einer Flasche auf 6 bis 8 Wochen verlängert werden. Die entscheidende Bedingung für diese maximale Haltbarkeit ist jedoch, dass die Box nach dem ersten Anzapfen konsequent im Kühlschrank gelagert wird, um den Wein zusätzlich vor Wärme zu schützen.
Für Wohnungsbewohner ohne Keller ist die Bag-in-Box somit eine extrem praktische Alternative. Sie ermöglicht es, ein Glas Wein zu genießen, ohne sich Sorgen um den Rest der Flasche machen zu müssen. Die Qualität der Weine in BiBs hat sich in den letzten Jahren zudem erheblich verbessert, und viele gute Winzer bieten ihre Alltagsweine mittlerweile in diesem Format an. Es ist die perfekte, pragmatische Lösung für den unkomplizierten Genuss.
Das Wichtigste in Kürze
- Die größten Feinde des Weins in der Wohnung sind Hitze, Licht, Vibration und Fremdgerüche.
- Der kühlste, dunkelste und ruhigste Ort ist oft der Kleiderschrank im Schlafzimmer, nicht der Kühlschrank oder Keller.
- Pragmatische Lösungen wie Bag-in-Box für den Alltag oder ein schmaler Weinklimaschrank können effektiver sein als Kompromisse.
Einbau oder freistehend: Welcher Weinklimaschrank passt in eine 10m² Küche?
Wenn alle „Raum-Hacking“-Methoden an ihre Grenzen stoßen oder Sie eine größere Anzahl wertvoller Flaschen optimal lagern möchten, wird die Anschaffung eines Weinklimaschranks zur realistischen Option. Doch für eine kleine Küche von rund 10m², wie sie in vielen Stadtwohnungen üblich ist, scheint der Platz dafür oft nicht zu existieren. Die gute Nachricht: Der Markt bietet mittlerweile spezialisierte, extrem kompakte Lösungen, die sich auch in die kleinste Nische integrieren lassen.
Die grundlegende Entscheidung liegt zwischen einem Einbaugerät und einem freistehenden Modell. Ein Einbau-Weinklimaschrank wird nahtlos in die Küchenzeile integriert, oft anstelle eines Standard-Unterschranks. Er bietet eine ästhetisch perfekte Lösung, ist aber in der Anschaffung teurer und in der Platzierung unflexibel. Ein freistehendes Modell bietet mehr Flexibilität und ist günstiger. Hier gibt es neben den Standardbreiten von 50-60 cm auch extrem schmale Modelle mit nur 15-30 cm Breite, die in eine Lücke zwischen Kühlschrank und Wand passen.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Optionen, die für eine kleine Küche am relevantesten sind:
| Typ | Breite | Kapazität | Preis ab | Vorteile |
|---|---|---|---|---|
| Einbau | 60cm | 30-50 Flaschen | 800€ | Nahtlose Integration |
| Freistehend schmal | 15-30cm | 8-18 Flaschen | 300€ | Platzsparend |
| Freistehend standard | 50-60cm | 40-120 Flaschen | 500€ | Flexibel positionierbar |
Eine oft übersehene Überlegung sind die laufenden Kosten. Ein Weinklimaschrank läuft 24/7. Laut Erfahrungsberichten deutscher Nutzer muss man bei einem aktuellen Strompreis von ca. 35 Cent pro kWh mit jährlichen Kosten von 50-100€ rechnen, abhängig von der Größe und Effizienzklasse des Geräts. Für einen Wohnungsbewohner ist oft ein schmaler, freistehender Schrank für 8-18 Flaschen der beste Kompromiss aus Platz, Kosten und Nutzen. Er bietet perfekten Schutz für die wertvollsten Flaschen, während Alltagsweine weiterhin im Kleiderschrank oder als Bag-in-Box gelagert werden können.
Die richtige Weinlagerung in der Wohnung ist keine Frage des Luxus, sondern der cleveren Planung. Anstatt vom perfekten Keller zu träumen, können Sie mit dem hier erworbenen Wissen aktiv die besten Bedingungen schaffen. Beginnen Sie noch heute damit, Ihre Wohnung zu „kartieren“ und die sicherste Zone für Ihre Weine zu etablieren.
Häufige Fragen zur richtigen Weinlagerung
Wie erkenne ich visuell einen überlagerten Wein?
Ein bräunlicher Schimmer bei Weißwein oder verblasste, ins Ziegelrote gehende Farbe bei Rotwein deutet auf eine Überlagerung hin. Die frische, leuchtende Farbe geht verloren.
Was ist der Unterschied zwischen Oxidation und Madeirisierung?
Beides sind Fehler, aber mit unterschiedlichen Ursachen und Aromen. Oxidation entsteht durch zu viel Sauerstoff und riecht dumpf, nach Sherry oder Nüssen. Madeirisierung ist ein Hitzeschaden und riecht nach gekochten Früchten, Kompott oder Karamell.
Kann ich einen überlagerten Wein noch verwenden?
Ja, zum Wegwerfen ist er oft zu schade. Leicht oxidierte Weine eignen sich noch für eine Weinschorle. Weine mit stärkeren Fehlern sind eine hervorragende Basis für kräftige Schmorgerichte und Saucen, da der Kochprozess die ungewollten Noten umwandelt.